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Heinz Stachelscheid hat sich den Erhalt der plattdeutschen Sprache auf die Fahne geschrieben. Regelmäßig geht der gebürtige Drolshagener etwa ins Tonstudio, um plattdeutsche Schriften und Texte zu digitalisieren. Zudem ist er im stetigen Kontakt mit Dr. Werner Beckmann vom Mundartarchiv Sauerland in Cobbenrode. Ein Sauerländer, der sich für das Sauerländer Platt einsetzt? Das ist zunächst wenig ungewöhnlich – wäre da nicht die Tatsache, dass Stachelscheid seine Recherchen mehr als 10.000 Kilometer von Deutschland entfernt betreibt: In einem kleinen Ort nahe der ecuadorianischen Hauptstadt Quito, wo er seit 1997 als Tierarzt und Entwicklungshelfer tätig ist.

„Ich bin sicher, dass das Plattdeutsche eine Renaissance erleben wird“, sagt Heinz Stachelscheid, der mit gebürtigem Namen Heinrich Ludwig Stachelscheid heißt und in Drolshagen als „Limpen Heinz“ bekannt ist. Trotz der großen Entfernung ist er aktives Mitglied des Drolshagener Heimatvereins und war während eines zweijährigen Heimataufenthalts von 2014 bis 2015 Vorsitzender der „Plattdütsen Runde Draulzen“. Schon als Student hat er zudem damit begonnen, Gedichte und sogar ganze Bücher ins Plattdeutsche zu übersetzen. Bereits mit 17 Jahren trat er in den Arbeitskreis Heimatgeschichte des Kreises Olpe und den Sauerländer Heimatbund ein. Gerade hat er in einem Tonstudio in Quito den Gedichtband „Hinger unsem Huse“ von Heinrich Schürholz und die Anekdoten- und Märchensammlung „Min Draulzen“ von Joseph Börsch eingelesen.

Als der engagierte Tierarzt und Entwicklungshelfer 1991 zum ersten Mal nach Ecuador kam, hätte er sich wohl nicht träumen lassen, dass das südamerikanische Land einmal seine zweite Heimat werden würde. Hier unterstützt er heute kleinbäuerliche Familien bei der Milchvieh-, Alpaka- und Meerschweinchenzucht und bildet Tiergesundheitspromotorinnen und –promotoren aus. Bereits in den 80ern hatte er im Rahmen seines Tiermedizinstudiums in Gießen und eines Stipendiums für Tropenveterinärmedizin in Berlin bereits drei Auslandsaufenthalte in Pakistan, Togo und Kenia absolviert und einige Zeit als praktischer Tierarzt im Wilden Westen Irlands gearbeitet. Mehrfach hatte er sich in dieser Zeit beim Deutschen Entwicklungsdienst (DED) um eine Anstellung als Veterinärmediziner beworben. „Da es beim DED nur wenige Stellen für Tierärzte gab, hat es einige Zeit gedauert, bevor endlich der Anruf kam, dass ich als Tierarzt nach Ecuador gehen kann“, erinnert sich der 59-Jährige. Im Nachhinein sei das ein Schicksalsanruf gewesen – denn dort sollte er später seine Ehefrau Diana kennenlernen. Zusammen mit der Ecuadorianerin und den gemeinsamen Töchtern Emmy und Samira lebt Stachelscheid heute in einem Haus, dass er als Rohbau kaufte und in Eigenregie ausbaute. Auch dabei zollte er der Heimat Tribut: Im Schlafzimmer erinnert ein 1,00 x 1,50 Meter großes Buntglasfenster mit den Umrissen der Drolshagener Altstadt an die geliebte Heimat. „Hinter diesem Fenster geht die Sonne auf. Ich kann also jeden Morgen einen Blick auf Drolshagen werfen“, sagt der Familienvater schmunzelnd. Das Fenster habe ein ecuadorianischer Glaser für ihn angefertigt – nach Vorlage einiger Dias, die der begeisterte Hobbyfotograf ihm gegeben habe.

Dräulzer Platt in Ecuador - region, drolshagen
Als Veterinärmediziner und Entwicklungshelfer erklärt Heinz Stachelscheid Bauern in Ecuador, wie sie kranke Tiere selbst behandeln können.

Bevor Heinz Stachelscheid in Südamerika sesshaft wurde, war er ab 1995 unter anderem zwei Jahre lang in Somalia, um dort für die EU-Kommission ein Projekt zum Aufbau eines privaten Veterinärwesens zu begleiten. „Gewalt, Armut und eine schwierige Sicherheitslage gehörten dort damals zum Alltag“, erinnert sich der Entwicklungshelfer, der im Osten Afrikas Dromedare, Milchziegen, Fettsteißschafe und großhörnige Zeburinder behandelte. „Gemeinsam mit einheimischen Kollegen habe ich die Nomaden in der Halbwüste besucht, ihre Tiere untersucht und den Tierhaltern erklärt, wie sie deren Krankheiten selbst behandeln können.“ Dabei sei er stets von zwei Sicherheitsmännern begleitet worden. Auch die konnten jedoch nicht das verhindern, was an einem schicksalhaften Tag im Mai 1995 passierte, als Stachelscheid zu einer Nomadenfamilie kam, deren Kamele unter der Afrikanischen Schlafkrankheit litten: „Aus heiterem Himmel wurde plötzlich mit Kalaschnikows in die Luft geschossen. Wir waren zu Tode erschreckt“, erinnert sich der Veterinär. Eine Gruppe von Männern, die sich in einem der Nomadenzelte versteckt hatte, umringte die Helfer, fesselte die Sicherheitsmänner – und nahm Heinz Stachelscheid als Geisel, um Lösegeld zu erpressen. „Wir sind zwei Nächte lang bei Vollmond gewandert, bis wir absolutes Niemandsland hoch oben in den Bergen erreicht hatten. Auf 2.000 Metern wurde ich schließlich in einer Felsspalte gefangen gehalten“, berichtet Stachelscheid. Mehrere Wochen lang musste er dort, streng bewacht von seinen Entführern, ausharren. „Die Männer holten Brunnenwasser in Schläuchen aus Tierbälgen. Damit das Wasser sauber blieb, kam ein Stück Rinde von einem speziellen Baum dazu“, erinnert sich Heinz Stachelscheid. Seine Entführer, die nur Somali sprachen, hätten ihm nach einiger Zeit erlaubt, einen Brief an seine Familie in Deutschland zu schreiben. Um die Situation nicht noch zu verschärfen, seien seine unmittelbaren Angehörigen die einzigen gewesen, denen man von der Geiselnahme erzählt habe. Drei lange Wochen habe es gedauert, bis schließlich die erlösende Nachricht kam: „You are free, we will walk you down!“ „Wie ich später erfahren sollte, hatten die Menschen in dem somalischen Ort, in dem ich lebte, Druck auf die Entführer ausgeübt, mich freizulassen. Zudem hat wohl der Imam des Clans, dem die Männer angehörten, meine Freilassung erzwungen“, erklärt der Tierarzt. Lösegeld sei nicht bezahlt worden – dem Vernehmen nach waren damals eine Million D-Mark gefordert worden. Mit einem Learjet der Bundesregierung wurde er schließlich in die damalige Bundeshauptstadt Bonn geflogen, wo seine Familie schon auf ihn wartete. „Ich war am Mittwoch vor Fronleichnam wieder in Drolshagen. In der Nacht zu Donnerstag habe ich direkt beim Legen der Blumenteppiche geholfen und bin anschließend mit der Prozession gegangen“, berichtet Stachelscheid schmunzelnd.

Heinz Stachelscheid ist in der Regel einmal pro Jahr für mehrere Wochen in der alten Heimat, um Freunde und Familie zu besuchen – allen voran seine 90-jährige Mutter Emmi Stachelscheid. Sie ist das Oberhaupt der Familie, die in Drolshagen eine Metzgerei betreibt, die weit über die Ortsgrenzen hinaus unter dem Namen „Limpen“ bekannt ist. „Um es mit den Worten von Theodor Fontane zu sagen: Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat besitzen“, hebt der Heimatforscher hervor.

(Text: Silke Clemens | Fotos: Heinz Stachelscheid)

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