„Wo die Mädchen noch wilder als die Kühe sind“

Wenn Frauen sich gegen die Steuern wehren: Die legendäre Weiberschlacht von Wissinghausen bei Medebach ist 250 Jahre her.

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Von Claudia Pape:

Wissinghausen. Nein, das Stöhnen über zu hohe Steuern ist wahrlich keine Erscheinung nur der Gegenwart. Das beweist eine Begebenheit, die sich vor mehr als 250 Jahren im Sauerland zugetragen hat und in der Weiberschlacht zu Wissinghausen ihren Höhepunkt erlebte.

Die Geschichte nahm ihren Lauf – mehr als 100 Jahre nach der Teilung der Freigrafschaft Düdinghausen im Jahre 1663. Trotz des langen Zeitraums waren die Einwohner noch immer nicht zur Ruhe gekommen. Hillershausen, Eppe und Niederschleidern waren 1663 beim evangelischen Waldeck geblieben, während Düdinghausen mit Referinghausen, Oberschledorn, Deifeld/Wissinghausen und Titmaringhausen dem katholischen Kurfürstentum Köln zugesprochen wurde. Abgaben zahlte man aber weiterhin auch an Waldeck. Als nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) der Wiederaufbau anstand, erinnerte sich auch der Erzbischof von Köln an seine Untertanen im fernen Sauerland. Er erhob Anspruch auf verschiedene Steuern, u.a. für Branntwein, Kaffee und Militärschulden.

Richter spielt eine umstrittene Rolle

Die Einwohner der Grafschaft Düdinghausen jedoch sahen nicht ein, gleich zwei Landesherren Steuern zu zahlen. Da das einfache Volk aber weder Schreiben noch Lesen konnte, war bei jedem Behördengang die Hilfe eines Anwaltes nötig. In diesem Fall war das der noch junge Richter Weise aus Medebach. Und der spielte in seiner Unerfahrenheit eine wichtige, aber auch sehr umstrittene Rolle in der Auseinandersetzung zwischen Volk und Obrigkeit. Denn mehrmals forderte er, teils unter militärischem Schutz, die Grafschafter erfolglos auf, die Sondersteuern zu begleichen. So entschied sich die Obrigkeit, die Steuern mit Gewalt einzutreiben, und setzte am 13. Januar 1765 etwa 100 Soldaten in Brilon in Marsch. Über die dann folgenden Begebenheiten liegen mehrere Berichte aus der Deifelder Kirchenchronik und den Vernehmungsprotokollen der Festgenommenen vor. Aber auch im Volksmund hat der Vorfall bis in die heutige Zeit überlebt.

So schlug der Trupp auf seinem langen Marsch von Brilon in die Grafschaft sein nächtliches Lager in Niedersfeld auf.  Ein Einwohner, ein gebürtiger Grafschafter, erfuhr, was seiner Heimat bevorstand und machte sich sofort mit seinem Pferd auf, um die Bevölkerung zu warnen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht von der bevorstehenden Gefahr. Sämtliche Männer bewaffneten sich daraufhin mit Heuforken und Mistgreipen. Auch die Weiber schwangen die Dreschflegel, der 18-jährige Johannes Sauerwald aus „Gläsekes“ in Deifeld schlug eine Trommel im Takt. Als nun die Soldaten vor Wissinghausen ankamen, erkannten sie nur hochragende, sich bewegende Stangen und hörten lautes Geschrei und das vermeintliche Schlagen einer Militärtrommel aus dem Nebel.

Ein Tumult, Schüsse, Verletzte und eine Tote

Der kölnische Kompanieführer, Hauptmann Meunier, ließ wohl einige Warnschüsse abgeben und nahm durch einen Erkundungstrupp Verbindung mit den Bauern auf. Diese beharrten jedoch auf ihrem Standpunkt. Die Soldaten nahmen daraufhin Johann Jakob Gerbracht aus Deifeld fest. Als die Frauen in den hinteren Reihen dies mitbekamen, schritten sie kurz entschlossen ein und attackierten die Soldaten. Die Bauern sollen dann zudem angeblich „Schützen vor!“ gerufen haben. Aufgrund der schlechten Sichtverhältnisse entstand ein Tumult, es fielen Schüsse.

Laut Aufzeichnungen wurden Maria M. Hesse aus „Görs“ in Referinghausen und Anna E. Völlmecke aus „Mülldiekes“ in Deifeld getroffen. Die 18-jährige Johanna Über aus „Spielmanns“ in Düdinghausen, die als Magd bei „Greten“ in Referinghausen arbeitete, wurde laut Kirchenbucheintrag mit einem „Schwert durchbohrt und an der rechten Hand schwer verwundet“. Sie starb für „Gesetz und Freiheit der Heimat“ und wurde am folgenden Tag auf dem Friedhof in Deifeld beigesetzt, notierte Pfarrer Birkenhauer.

Hauptmann Meunier ließ seine Soldaten nun weiter vorrücken und nahm fünf Männer, die sich zu Verhandlungen bereit erklärt hatten, als Rädelsführer fest. Einer entkam auf dem Weg ins Zuchthaus nach Münster, die anderen blieben dort drei Monate in Haft.

Eichen-Stamm erinnert an die nebligen Januartage

Aber auch dieser Vorfall, der später als „Weiberschlacht“ von Wissinghausen in die Geschichte eingehen sollte, hielt die Grafschafter nicht davon ab, die Zahlung der Sondersteuer zu verweigern. Nach weiteren sieben Monaten wurden 600 Soldaten in die Grafschaft geschickt, um die Abgaben einzutreiben. Sie hausten mehrere Wochen in den Dörfern und mussten dort versorgt werden. Viele Höfe verschuldeten sich derart hoch, um die Prozesskosten von 3000 Talern aufzubringen, dass sie verkauft werden mussten.

"Wo die Mädchen noch wilder als die Kühe sind" - region, region-wi-me-ha, medebachZur Erinnerung wurde später an der Stelle der Weiberschlacht eine Eiche gepflanzt, die leider in den 60er Jahren dem geplanten, aber nie verwirklichten Straßenbau weichen musste. Noch heute liegt der mächtige Stamm der Weiberschlachtseiche am Ortseingang von Wissinghausen und erinnert an die nebligen Januartage des Jahres 1765.

Auch die Band ZOFF sang 1983 in ihrer Sauerlandhymne: „Sauerland…wo die Mädchen noch wilder als die Kühe sind…!“ Ob sie dabei an die tapferen, wilden Weiber aus der Grafschaft gedacht haben?

 

 

 

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