Von Sundern nach Berlin mit dem Sauerland im Herzen

Ein Gespräch mit den Filmproduzentinnen Alexandra und Meike Kordes

Die Schwestern Alexandra und Meike Kordes gründeten 2003 in Berlin das erfolgreiche Produktionsunternehmen Kordes & Kordes Film. Produziert haben sie unter anderem die Kinofilmreihe „Die Schule der magischen Tiere“, die im Jahr 2022 und 2023 mit dem Deutschen Filmpreis in der Kategorie „Publikumsstärkster Film“ ausgezeichnet wurde. Damit waren beide Filme die erfolgreichsten Kinofilme des Jahres – der erste Film lockte 1,8 Mio. und der zweite 2,8 Mio. Zuschauer in die deutschen Kinos. Zudem erhielten die Schwestern vor Kurzem den Bayerischen Filmpreis in der Kategorie „Family Entertainment“. Ihre Wurzeln haben Alexandra und Meike Kordes im Sauerland, genau genommen in Sundern. Im Interview mit den beiden erfuhren wir noch einiges mehr.

Heimatliebe: Ihre Familie lebt schon seit Generationen in Sundern, Sie und Ihre Schwester zog es aber direkt nach dem Abitur nach Berlin. Fühlen Sie sich dem Sauerland trotzdem noch verbunden?

Alexandra Kordes: Auf jeden Fall. Meine Heimat ist das Sauerland, das wird wahrscheinlich auch noch so sein, wenn ich mal 100 bin. Der Landschaft mit ihren Bergen und dem Wald, aber auch dem Landstrich mit seinen Menschen fühle ich mich doch sehr tief verbunden. Ein Teil unserer Familie lebt noch im Sauerland und deswegen sind wir ab und an auch mal in der Gegend. Aber mein Zuhause ist inzwischen natürlich Berlin.

Heimatliebe: Wie sind Sie darauf gekommen, Filme zu produzieren?

Alexandra Kordes: Mit elf Jahren fing bei meinen beiden besten Freundinnen, Mirjam Müntefering und Gisela Schulte, und mir die brennende Leidenschaft für das Kino und das Geschichtenerzählen an. Wir drei radelten also in die umliegenden Kinos und dachten uns laufend irgendwelche Storys aus. Im Alter von 12 Jahren hatten wir tatsächlich ein erstes Drehbuch von 120 Seiten Länge erarbeitet. Wir waren uns sicher, dass die Geschichte einschlagen würde wie eine Bombe und hatten Bedenken, dass man uns No-Names die Idee klauen könnte. So haben wir dann mit entsprechendem Begleitschreiben nur die ersten 20 Seiten des Drehbuches an einen deutschen Fernsehsender geschickt. Als wir dann nach über einem Jahr eine Standardabsage bekamen, konnten wir es überhaupt nicht fassen und waren zunächst am Boden zerstört. Doch daraufhin haben wir uns eine Kamera organisiert und mit 13 Jahren begonnen, den ersten kleinen Film zu drehen. Es folgten vier weitere Filme; den letzten haben wir in den Anfängen unseres Studiums gedreht. Über die Jahre hatten wir uns technisch verbessert und haben schließlich im offenen Kanal in Dortmund geschnitten. Dabei haben wir uns eigentlich alles irgendwie selbst beigebracht. Diese Arbeit in meiner Jugend war meine erste Filmhochschule.

Meike Kordes: Es hat klein angefangen und wurde immer umfangreicher und professioneller. Anfangs habe ich in diesen Filmen noch mitgespielt, aber dann habe ich meine Rolle hinter den Kulissen gefunden. Die Filme von Alexandra und ihren Freundinnen wurden ja umfangreicher, es musste auch manches organisiert werden – und das alles ohne einen Pfennig, denn als Jugendliche hatten wir viel vor, aber natürlich kein Geld. Alexandra war immer der kreative Teil von uns beiden und ich der kaufmännisch-organisatorische. Wir sind komplett gegensätzlich und ergänzen uns daher so wunderbar. Ich sage immer: Wir sind wie die zwei Seiten einer Medaille.

Heimatliebe: Was hat Sie dann nach Berlin gezogen?

Alexandra Kordes: Ich habe zun.chst in Bochum u. a. Film und Fernsehwissenschaften studiert und das Grundstudium auch abgeschlossen – aber mir war schnell klar, dass das nicht der Weg zum Filmemachen ist. Also habe ich mir ein Praktikum bei einem spannenden Filmprojekt in Berlin gesucht und gemerkt: In dieser Stadt bist du richtig. Ich bin später dann an der Filmhochschule in Babelsberg angenommen worden und habe dort Kamera studiert.

Meike Kordes: Als jüngere Schwester bin ich nach dem Abitur direkt nach Berlin gezogen. Zunächst habe ich eine kaufmännische Lehre in einer Filmproduktionsfirma absolviert und habe während der Ausbildung schon Filme produziert, die Alexandra als Kamerafrau an der Filmhochschule drehte. Dabei ist unter anderem ein Kurzfilm entstanden, der später den Silbernen Bären auf der Berlinale gewonnen hat. Nach der Ausbildung habe ich ebenfalls an der Filmhochschule in Babelsberg in der Fachrichtung Produktion studiert und schon während des Studiums als Produktionsleiterin für verschiedene Kinofilme gearbeitet.

Heimatliebe: Inzwischen sind Sie mit Ihrem Unternehmen sehr erfolgreich im Filmgeschäft unterwegs und die Filme Ihrer Firma wurden mit mehr als 180 Preisen ausgezeichnet. Was genau macht die Arbeit eines Produzenten eigentlich aus?

Alexandra Kordes: Das ist eine unglaublich vielfältige Arbeit, was immer wieder herausfordernd, damit aber auch sehr spannend ist. Das geht los mit der richtigen Nase für einen Stoff, über die ganze inhaltliche Entwicklung bis zum kurbelfertigen Buch. Dann folgt die Finanzierung eines Films, denn Film ist ja ein sehr teures Medium, es müssen Sender und/oder Koproduzenten und Filmförderungen begeistert und überzeugt werden. Auch die Zusammenarbeit mit Banken ist sehr wichtig für die Finanzierung eines Films. Die enge Zusammenarbeit mit Künstlern in allen Abteilungen der Filmproduktion, die Zusammenstellung eines großen Teams, Postproduktion, Kinoherausbringung usw. sind alles Schritte der Filmherstellung, die die Produzentin leitet und für die sie verantwortlich ist. Die 800 Leute, die teilweise im Abspann eines Films erwähnt werden, haben ja unterschiedlichste Aufgaben in so einem Projekt und müssen von der Produzentin zusammengestellt und zusammengehalten werden. Kurz gesagt: Man braucht einerseits ein inhaltliches Know-how und andererseits kaufmännisches Geschick. Insgesamt ist es ein sehr breites Feld.

Heimatliebe: „Die Schule der magischen Tiere 2“ hat geradedie Lola als zuschauerstärkster Film 2023 beim Deutschen Filmpreis gewonnen. Wie sind Sie auf diesen Stoff gekommen?

Meike Kordes: Auf dem Weg zu einem Familientreffen 2013 saß ich mit meiner Tochter im Familienabteil des Zuges und hörte, wie jemand den ersten Band der Buchreihe seinem Kind vorlas. Ich hatte direkt ein starkes Gefühl zu der Geschichte und war ganz elektrisiert. Ich habe sofort Alexandra angerufen und ihr berichtet. Noch am selben Tag haben wir beim Verlag anrufen lassen und uns nach den Verfilmungsrechten erkundigt. Wenige Wochen sp.ter trafen wir uns mit der Autorin Margit Auer, ihrer Agentin und dem Verlag und haben ihnen unsere Vision für eine Verfilmung vorgestellt. Und dann haben uns den Zuschlag gegeben! Wir haben von Anfang an offen gesagt, dass diese Filme aufgrund der zu animierenden Tricktiere ein sehr teures Unterfangen werden würden und sie sich nur finanzieren ließen, wenn die Buchmarke bekannt würde, was schließlich geschehen ist.

Alexandra Kordes: Mit der steigenden Bekanntheit der Buchmarke konnten wir schließlich mit der Arbeit an dem Film beginnen. Dabei war allein die Herstellung der Tiere, Fuchs Rabbat, Schildkröte Henrietta und Elster Pinkie, eine riesige Herausforderung. Wir mussten uns leider von drei Studios wieder verabschieden, bis wir dann unser hervorragendes Studio mit seinen Künstlern gefunden haben. Sie wurden für ihre Arbeit an unserem Film im vergangenen Jahr ebenfalls mit dem Deutschen Filmpreis für die beste Animation ausgezeichnet. Die Herstellung der Tiere ist ein so spezieller Bereich, dass mir von Verleihfirmen gesagt wurde, dass so etwas nur in Hollywood möglich wäre, aber nicht bei uns. Um den Aufwand einmal zu verdeutlichen: Für den zweiten Teil haben 45 Leute über sieben Monate hinweg die Tiere animiert. Dabei schafft ein Animator in einer 40-Stunden-Arbeitswoche etwa 6 Sekunden Spielzeit eines Tieres. Diese Arbeit beherrschen nur wenige Menschen und deshalb sitzen die Künstler, die an dem Film gearbeitet haben, in der ganzen Welt, von Neuseeland bis Kanada.

Heimatliebe: Welche Projekte stehen derzeit an und wie suchen Sie diese aus?

Meike Kordes: Diesen Sommer werden wir den dritten Teil der „Schule der magischen Tiere“ drehen, darüber hinaus haben wir aber noch andere Dinge in der Entwicklung, die natürlich nicht verraten werden.

Alexandra Kordes: Bei der Entscheidung für einen Stoff gehen wir ausschließlich subjektiv vor: Wir müssen einen unmittelbaren Zugang zu der Geschichte haben – das ist der Motor, über Jahre an einem Film dranzubleiben. Das kann genauso gut das kleine Arthouse-Drama, die historische Trag.die, die rasante Komödie oder, wie jetzt bei den Tieren, schönstes Popcorn-Kino sein. Für uns muss der Funke überspringen – das ist ein bisschen so, wie wenn man sich verliebt.

Text: Denise Weber