Als in Sundern das elektrische Licht anging

„Sundern war ein kleiner, armer Ort“, beschreibt Herbert Müller die Situation am Ende des 19. Jahrhunderts. Als Vorsitzender des Museumsvereins Sundern e.V. ist er Kenner der Historie dieser Stadt. So berichtet er auch, dass Sundern kurz nach 1900 mit dem Aufkommen einer frühen Industrialisierung einen enormen Aufschwung nahm.

Pionier dieser Jahre war Josef Blome, ein kluger, weltoffener Mann. Auf dem Gelände des ehemaligen Lenz’schen Eisenhammers in Untersundern betrieb er eine Fabrik für Metallwaren und Innendekorationen, insbesondere Gardinenstangen. Schon früh erkannte er den Nutzen der aufkommenden Elektrifizierung für die industrielle Fertigung. Er beantragte die Konzession für ein Elektrizitätswerk, die er 1902 erhielt. Ein Jahr sp.ter erzeugte er damit Kraftstrom nicht nur für Betriebe, sondern auch für Haushalte. Die Energie für die stromerzeugenden Turbinen lieferte die damals noch unregulierte Röhr. Um die Wasserräder mit einem kontinuierlichen Wasserfluss zu versorgen, ließ Blome einen Graben, eine sogenannte Schlacht, stechen, der Wasser von der Röhr abzweigte und den Turbinen und Generatoren gleichmäßig zuführte.

Spitzname „Turbine“

Sundern liegt in einem Gebiet mit ausgedehntem Gewässernetz mit dem Hauptfluss Röhr, in den wichtige Nebenflüsse wie Sorpe, Settmecke, Linnepe und Stockumer Bach münden. Viele kleine und größere Betriebe folgten dem Beispiel von Josef Blome und nutzten die Wasserkraft dieser fließenden Gewässer, um elektrischen Strom zur Erzeugung ihrer Produkte und auch für Haushalte zu nutzen. Hier wurde der Grundstein dafür gelegt, dass der kleine, arme Ort einen ungeheuren wirtschaftlichen Aufschwung nahm, so dass er in der jüngsten Vergangenheit zeitweise zur Stadt mit der größten Millionärsdichte in Deutschland wurde. Die Pionierleistung Blomes kam unter anderem in seinem Spitznamen zum Ausdruck, wie man ihn im Sauerland gerne vergibt. Als „Turbine“ ging er in die Heimatgeschichte ein. 1914 veräußerte er die Rechte zur Stromerzeugung gewinnbringend. Die Metallverarbeitung lief weiter. Heute befindet sich die Firma MESU auf dem damaligen Betriebsgelände. Blomes Wohnhaus ist noch erhalten und steht an der Hauptstraße.

Ergiebige Energiequelle

1911 bündelte der damalige Kreis Arnsberg die sich immer stärker ausbreitende, von den zahlreichen Betrieben vorangetriebene Stromerzeugung, um eine flächendeckende Elektrizitätsversorgung zu schaffen. Neben mehreren kleinen Wasserwerken sollen auch größere Firmen wie Severin, Maybaum und die Papierfabrik eigene Turbinen in Betrieb gehabt haben. Heute findet man noch Spuren wie Reste von

Gräben oder Gebäude, an denen Wasserräder zum Einsatz kamen, die der Stromerzeugung dienten. Heimatfreund Herbert Müller betont die Nutzung der reichlich vorhandenen Wasserkraft als Grundlage für die wirtschaftliche Expansion der Sunderner Region über viele Jahrzehnte hinweg. Sie stellt eine ergiebige, auch speicherbare Energiequelle dar, wie sie heutzutage im Sorpesee-Kraftwerk und im Pumpspeicherwerk bei Rönkhausen in großem Stil genutzt wird. Wenn Müller über die ausgiebigen Ressourcen der Gewässer, über die die Region verfügt, nachdenkt, geschieht dies mit einem sorgenvollen, auch verständnislosen Blick auf vorhandene und geplante Windräder.

Text und Fotos (u.a.): Jochem Ottersbach