„Ich möchte nie mehr ein festes Fundament unter meinem Bett haben. Eine Achse ist mir lieber“, sagt Andreas Luke aus Attendorn. Vor vier Jahren hat er sich einen Bus gekauft, um darin zu wohnen. Damals war es eher eine Notlösung. In der Rückschau ist es sein „Glücksmoment“. Luke kann sich nichts anderes mehr vorstellen. In dem Bus fühlt er sich zuhause. Und frei genug, mit sich und der Natur in Einklang zu leben.
Früher war er ein Schulbus. Irgendwo im Norden Deutschlands fuhren mit ihm Tag für Tag Kinder zur Schule, um für ihre Zukunft zu lernen. Eine Zukunft, die auf dem Spiel steht. Weil wir Menschen mehr Ressourcen verbrauchen als auf natürliche Weise erneuert werden können.
Mut zum Leben
Von dem Bus geblieben ist allein die Außenhaut. Und das Gelb an den Radkappen, die wie kleine Sonnen leuchten. Die gesamte Karosserie ist nun in hellem Grün lackiert. „In der Farbe, die für Neubeginn, Wachstum und Harmonie steht“, sagt Luke. Das komplette Innenleben hat er rausgerissen und neu gebaut. Nach baubiologischen Kriterien, um den Bus zu dem werden zu lassen, was er heute ist: Ein Botschafter für grünes Leben, damit auch zukünftige Generationen eine Welt vorfinden, in der sie gut leben. Und um Mut zu machen. „Mut, sich von Zwängen freizumachen, sich vom Alltag zu lösen und neu zu denken.“
Blick über den Tellerrand
Die Geschichte des Busses ist auch eine Geschichte von Lukes Leben. Maurermeister hat er gelernt. Und ein paar Semester Architektur studiert, bevor er sich zum Baubiologen weiterbildete. Als Selbstständiger hat er schlüsselfertige Häuser entworfen und gebaut, sich mit der Entwicklung von Sanierungskonzepten beschäftigt und bei dem Blick über den Tellerrand alte Baustoffe wiederentdeckt. Solche wie Lehm oder Stuck. „Das ist meine Leidenschaft“, sagt Luke und erzählt von den Villen an den Attendorner Wällen. „Die Bauweise hat mich fasziniert. Die sogenannte gute Stube war fast nie rechteckig, sondern immer großzügig abgerundet. Weil die Wärme von zirkulierender Luft die Ecken in Räumen umrundend auslässt, was wiederum Schimmelpilzbildung begünstigt. Stuck beispielsweise verhindert Schimmelpilzbildung“, erklärt er bautechnische Grundlagen und in dem Zusammenhang die unter-schiedliche Durchlässigkeit von Wärme, Feuchtigkeit und Luft. Sein ganzes Wissen hat er in seinem Bus umgesetzt. Bis in die letzten Winkel, die es folgerichtig nur selten gibt. Vieles ist ganz einfach rund. Und sämtliches Interieur aus Holz. Alles mit eigenen Händen gebaut. Von den Türen bis zur Küchenschublade und den darin liegenden Frühstücksbrettchen. Und beim gesamten Objekt wurde er von guten Freunden unterstützt.
Weil alles mit allem zu tun hat
Als Luke vor vier Jahren den Bus für sich entdeckte, da hat er alles andere bis auf weiteres ruhen lassen. Hat das Motorradfahren drangegeben. Und auch das Segelfliegen. „Manchmal flattern die Kollegen mit den Flügeln, wenn sie über mir sind“, sagt Luke. Zurzeit steht er auf einem Privatgrundstück oberhalb von Attendorn, direkt an einem Wanderweg. „Hier kommen viele Leute vorbei. Radfahrer und Spaziergänger. Manche bleiben stehen, interessieren sich und wir kommen ins Gespräch. Und dann kann es sein, dass ich auch eine Führung mache.“
Mit den Linienbus-Maßen und einer Grundfläche von etwa 30 Quadratmetern ist Lukes grünes Zuhause ein wahres Raumwunder. Das Dach hat er aufgestockt, den Wohnraum so erweitert um ein schönes kleines Wohnzimmer und dazu eine Dachterrasse installiert. Unten haben Schlafzimmer, Küche und eine kleine Werkstatt Platz. Und auch ein Esszimmer vorne im Fahrerbereich. Bis zu sechs Menschen haben an dem ausziehbaren Tisch Platz. Hier brennt täglich eine Kerze. „Das gefällt mir und hat private Gründe“, sagt Luke, während er es sich auf dem Fahrersitz gemütlich macht. An den Wänden hängen Bilder und in den Regalen stehen Bücher. Darunter auch eines von Alexander von Humboldt, unermüdlicher Naturforscher, letzter Universalgelehrter und einer der ersten Ökologen und Naturschützer. „Er hat schon so viel erkannt. Dass alles mit allem zusammenhängt und wir Menschen nur Teil einer Kette sind und dabei der größte Störenfried.“
Dicke Dielen und doppelschalige Decken
Es ist November. Die Außentemperatur ist einigermaßen frisch, ganz wie die Jahreszeit es verlangt. Im Bus aber ist es angenehm warm. Ein T-Shirt reicht völlig aus. „Das Einzige, was ich nicht auswechseln durfte, sind die Türen und die Frontscheibe. Aber die Holzfenster sind, wie alles andere auch, selbst gebaut“, erzählt Luke von Doppelverglasung, aber ohne Beschichtung. „Sie sind meine Heizung. Sie lassen die Sonnenwärme rein. Und wenn es zu warm wird, dann ziehe ich die Markisen runter. So einfach ist das.“ Wetter- und Temperaturschutz sind auch die dicken Holzdielen sowie die doppelschalige Decke mit Holzfaserdämmstoff. „Es gibt ja auch noch Pullis und Socken“, lächelt Luke mit Blick auf den nahenden Winter. Abgehärtet ist er. Fast täglich, das ganze Jahr über geht er im Biggesee schwimmen. „Im Januar, Februar zähle ich 40 bis 60 Züge, ich will ja nicht sterben.“ Für den Fall, das er doch mal frieren sollte, gibt es eine Leistenheizung, die den Bus durchzieht und durch den Holzofen gespeist wird.
Um die Sache rund zu machen: natürlich hat Luke Solarpanels installiert. „Sie liefern mir zwei Kilowatt, das reicht für die LED-Beleuchtung und die paar sonstigen Verbraucher.“ Was er sonst noch braucht: Gas und Wasser. Das Propan holt er in Flaschen. Etwa ein halbes Jahr kommt er mit einem Gebinde von elf Kilogramm aus. Bei Bedarf holt er für seinen 180 Liter Wassertank per Kanister oder Schlauch das Wasser von freundlichen Nachbarn oder aus der Natur. Das, was der deutsche Bürger im Schnitt pro Tag verbraucht, reicht für zwei Wochen. „Ich spreche von der Wiederentdeckung des Waschlappens“, lacht Luke.
Und nimmt das Wassersparen ziemlich ernst. Seine Toilette ist ein sogenanntes Trocken-WC und aus seinem Duschkopf kommen nicht nur Wassertropfen, sondern auch jede Menge Wasserblasen. „Ein tolles Duschgefühl und sehr effizient.“
Immer wieder ein „Ja“
Noch ist der Bus nicht ganz fertig. Es fehlen noch ein paar Feinheiten. „Es ist einfach wunderbar, abends beim Einschlafen darüber nachzudenken, was ich noch brauche, um mich am nächsten Tag daran zu machen. Das tut gut.“ Und dann ist da noch die TÜV-Abnahme. „Es ist eine komplette Neuabnahme“, sagt Luke und ist ganz optimistisch. Im kommenden Jahr will er los. Dahin, wo es schön ist. Zum Spargelstechen, zur Apfelernte, zur Weinlese oder vielleicht nach Mallorca. „Ich werde wohl ein Jahr für den Weg brauchen. Schließlich möchte ich Leute kennenlernen. Und es ist ja nicht mein Konzept, mich irgendwo hinzustellen und zu konsumieren. Wenn ich ein kaputtes Scheunendach sehe, dann biete ich meine Hilfe an. Dafür bleibe ich dann dort, so lange, wie ich dafür brauche.“ „Was machst du da eigentlich?“, diese Frage habe er sich manches Mal gestellt in den letzten Jahren, sagt Luke. „Ich habe sie immer wieder mit ja beantwortet. Ja, es macht mich glücklich.“
Birgit Engel [Text und Fotos]