Ehrenamtliche setzen sich mit viel Herz für mehr Nachhaltigkeit ein
Winterberg. „Für Sie mit Liebe gebacken“, steht auf der Brötchentüte. Eine ältere Frau nimmt sie schüchtern und drückt sie mit einem Lächeln an sich. Die Liebe ist in diesem Moment angekommen. Auf kleinen Umwegen, aber spürbar.
Diese Brötchentüte und viele andere Dinge sind Spenden für das Projekt „Zu gut für die Tonne“. Jeden Samstag sammeln Ehrenamtliche vom Verein Kipepeo aus Winterberg Lebensmittel ein, die noch in Ordnung, aber nicht mehr verkäuflich sind, und verteilen sie in den Räumen der Caritas „Am Hagenblech“ an Menschen, die sie brauchen.
Am frühen Samstagmorgen geht es schon los, dann werden mehrere Bäckereien und Lebensmittel-Märkte in Niedersfeld, Siedlinghausen und Winterberg abgefahren. Das erledigt meistens Alaa, der aus Syrien stammt. Das Angebot ist jede Woche anders von Menge und Inhalten her. An diesem Samstag fällt es etwas spärlicher aus, denn es ist gerade Bob- und Skeleton-WM in Winterberg, die viele Besucher in die Stadt zieht, die wiederum mehr einkaufen, so dass in den Läden weniger übrig bleibt.
Internationales Helferteam
Das Helferteam ist bunt gemischt: Die heute acht anwesenden Ehrenamtlichen kommen aus Syrien, Irak, der Ukraine, Spanien und Deutschland. Insgesamt umfasst das Team der Ehrenamtlichen 17 Personen. Darunter sind auch einige Helferinnen und Helfer, die vor wenigen Jahren selber als Flüchtlinge Hilfe von Kipepeo bekommen haben und nun tatkräftig mit anpacken. Mit geübten Griffen wird eine Obst- und Gemüse-Ecke eingerichtet, am nächsten Tisch gibt es Brot, Brötchen und Backwaren, außerdem einen großen Kühlschrank für Joghurt, Butter & Co. Einen willkommenen Farbtupfer liefern mehrere Eimer mit Tulpen, Narzissen und Hyazinthen.
Pünktlich um 9 Uhr sind alle Vorbereitungen erledigt, die Tür wird aufgeschlossen. Draußen hat sich im Schneeregen schon eine Schlange mit erwartungsvollen Kunden gebildet. Die Ehrenamtlichen haben für die Ausgabe ein eigenes System entwickelt und immer wieder angepasst. 50 Namen stehen auf der Liste der wöchentlichen Kunden. Keiner von ihnen muss nachweisen, warum er Lebensmittel von der Tafel braucht, ein Sozialhilfe-Bescheid oder ähnliche Dokumente brauchen nicht vorgelegt werden. Jeder Kunde hat eine Nummer, mit der er sich beim Eintreten kurz meldet und auf der Liste abgehakt wird. Die Nummern sind in Fünferschritte eingeteilt. Jede Woche darf in einem rollierenden System ein anderer Block als erstes zur Warenausgabe, denn zu Beginn ist die Auswahl natürlich deutlich größer.
Die Kunden gehen an den Tischen entlang und nehmen sich, was sie brauchen. Die Helfer beantworten Fragen, geben Tipps zur Zubereitung und achten darauf, dass keiner zu viel nimmt. Überwiegend geht die Ausgabe absolut fair vonstatten, aber hier und da versucht auch mal jemand, etwas mehr zu ergattern. „Aber wir kennen unsere Pappenheimer“, lachen die Helfer. Fehlt jemand viermal ohne vorherige Abmeldung, wird seine Nummer an andere Interessenten weitergegeben.
Mehr als nur materielle Dinge
Es geht an diesen Samstagvormittagen nicht nur allein um die Versorgung mit Lebensmitteln, das ist deutlich zu spüren. „Wo warst Du denn letzte Woche?“, fragt Shivan einen Kunden. Der erzählt, dass es ihm nicht gut ging und freut sich sichtlich über das kurze Gespräch – eben dass er gesehen wird und es jemandem auffällt, wenn er nicht da ist.
Einem anderen ist das Handy kaputt gegangen, das bedeutet: Keine Verbindung mehr zu seiner Familie im Heimatland. Deshalb ein schneller Rundruf, ob jemand noch ein funktionsfähiges Smartphone zu Hause liegen hat. Ein Kunde meldet sich für nächste Woche ab und berichtet von seinen Zahnproblemen, ein anderer war gerade im Krankenhaus. Zwei Frauen überlegen, wie sie die Frühlingsblumen schön drapieren können oder welche Gerichte man mit Graupen zubereitet. Auch draußen vor der Tür laufen Gespräche, notfalls mit dem Handy-Übersetzer. Die Welt in klein, manchmal kann es so einfach sein.
Es ist gerade einmal 10 Uhr, da ist alle Arbeit schon erledigt. Die Lebensmittel sind alle verteilt. Außer etwas Feldsalat und zwei roten Rüben, die auf einen Bauernhof gehen, hat alles Abnehmer gefunden. Die Helfer arbeiten auch jetzt Hand in Hand: Die leeren Kisten werden gestapelt, damit sie zurück an die Märkte gehen können; die Kartons werden kleingefaltet fürs Altpapier. Einer putzt die Tische, der nächste fegt, ein dritter wischt den Boden, der vierte kümmert sich, dass der Kühlschrank geleert wird, dabei werden Schwätzchen gehalten.
Nachhaltigkeit – das hat sich die Kipepeo-Gruppe groß auf die Fahne geschrieben. „Zu gut für die Tonne“, das gilt nicht nur für Lebensmittel, sondern auch für Möbel, Kleidung und andere Dinge, die noch gut in Schuss sind. Wer wirklich gut erhaltene Sachen abzugeben hat, kann sich gerne beim Verein Kipepeo melden. Die Ehrenamtlichen haben einen guten Überblick, für was Bedarf ist und/oder fragen in einer WhatsApp-Gruppe nach. Weil die Kontakte dabei sehr persönlich sind, gibt es zum Glück kaum negative Erfahrungen mit Dingen, die zu heruntergekommen sind.
Zusätzliches Angebot der Caritas
Leicht zu verwechseln ist das Projekt „Zu gut für die Tonne“ mit dem Warenkorb der Caritas Winterberg, das mittwochs in denselben Räumlichkeiten ebenfalls Lebensmittel für Bedürftige ausgibt. Ursprünglich gab es bereits seit 2007 ein wöchentliches Warenkorb-Angebot vom Haus Nordhang in Winterberg, einer Einrichtung für Suchtkranke in Caritas-Trägerschaft. Als der Bedarf stieg und mehrere Geschäfte signalisierten, dass sie gerne öfter Waren abgeben würden, kam es zur Kooperation der Caritas mit dem Verein Kipepeo. Dort fanden sich genug Ehrenamtliche, so dass seit 2017 ein zusätzlicher Termin am Wochenende und noch dazu im gleichen Raum auf die Beine gestellt werden kann.
Für diejenigen, die auf die zweimal pro Woche ausgegebenen Lebensmittel angewiesen sind, ist die Organisation dahinter aber auch zweitrangig. Ihnen wird unbürokratisch und einfach geholfen, man kommt zusammen, verschiedene Nationalitäten treffen und unterstützen sich – das ist alles, was hier zählt!