Ein wandelndes Geschichtsbuch
Haben Sie schon mal mit einem wandelnden Geschichtsbuch gesprochen? Ich schon. Es wohnt im alten Forsthaus in Niedersfeld und heisst Hubert Koch.
Koch wurde 1934 in eine Försterdynastie hineingeboren und wuchs mit zwei Brüdern, einer Schwester und vielen Tieren, u.a. drei Kühen, auf. „Diese drei Kühe haben mich gefühlt meine ganze Kindheit und Jugend begleitet. Sie wurden uralt und waren Familienmitglieder, mit denen ich beim Hüten jede Menge Zeit in der Natur verbrachte,“ erinnert sich Koch.
Es verwundert also wenig, dass der kleine, naturverbundene Hubert schon früh wusste, dass er einmal in die Fußstapfen seines Vaters Carl treten wollte und deshalb von 1953 bis 1962 die Ausbildung zum Revierförster absolvierte. Und beim Thema Vorgänger sind wir schon mittendrin im Gespräch. Betritt man das 140 Jahre alte Forsthaus, begegnet einem schon im Flur die Ahnengalerie der Niedersfelder Förster. Dort blicken einem Kochs Urgroßvater Ferdinand als königlich preußische Förster, Großvater Robert, der mit seiner Hundemeute im ganzen Sauerland dem Schwarzwild den Garaus machte, und Vater Carl jeweils mit ihren Frauen streng von oben herab entgegen. Die alten Schwarzweiß-Fotografien haben etwas Ehrfürchtiges an sich. „Und bald hänge ich auch da,“ erzählt Koch, der in diesem Jahr 90 Jahre alt wird. Stolz berichtet er, dass sein Sohn auch ein Bild seiner Eltern dort haben möchte. Sohn Matthias ist, wie sollte es auch anders sein, der Nachfolger seines Vaters als Förster geworden und wohnt mit seiner Familie ebenfalls im Forsthaus.
Bis 1999 betreute Hubert Koch die Gemeindeforststelle Niedersfeld und hatte sein Büro im eigenen Hause. Home-Office kennt der 90-jährige somit schon lange. „Heute ist das leider anders. Drei Revierförster teilen sich in Winterberg ein Büro“, berichtet Koch. Vieles hat sich seit der Zeit seines Urgroßvaters geändert: Früher war die Hauptaufgabe des Försters die Verteidigung des Wildes gegen Wilderer. Dabei sollte weniger Leib und Leben der Tiere geschützt werden als vielmehr das Wild als Besitz des Adels. Heutzutage hat der Förster ganz andere Aufgaben: Der Schutz und die Bewirtschaftung des Waldes stehen da an erster Stelle. Auch die Ausbildung ist eine ganz andere. Stand bei Koch noch die Praxis im Vordergrund, lernen die Studenten heute bis zum Bachelor hauptsächlich Theorie. Koch lebte seinen Beruf mit Leib und Seele und kennt die Umgebung wie kaum ein Zweiter. Sein Wissen gibt er gerne weiter.
Neben dem Wald hat er eine zweite Leidenschaft: Die Heimatgeschichte. In zahllosen Veröffentlichungen berichtet er über die Niedersfelder Vergangenheit, Familiengeschichten oder den Wald. „Von Bäumen und Menschen“ (2023) und Missionarin in China und auf Timor“ (2023) sind seine aktuellen Werke. Lachend erzählt er, dass er mittlerweile sogar Lesungen in der näheren Umgebung hält. In Wissinghausen, Siedlinghausen und natürlich Niedersfeld lauschten schon etliche Besucher seinen spannenden Geschichten und allerhand Anekdoten. Zwischendurch schlägt er spontan immer wieder die Brücke zur Gegenwart, indem er vom Brexit der Buchen, den Veganern oder dem Müll im Wald erzählt.
Im vergangenen Jahr unterstützte Koch zudem mit seinen Forschungen auch das Museum der Luisenhütte in Balve/Wocklum bei der Neukonzipierung seiner Ausstellung.
Hubert Koch ist aber nicht nur Förster a.D., Heimatforscher und Buchautor. Nebenbei ist er auch noch Museumsdirektor. In seinem Haus ist ein kleines Förstermuseum eingerichtet mit zahlreichen Relikten aus der Forstgeschichte.
Zurzeit wird renoviert, denn das kleine Museum zieht in neue Räume. Deshalb ist es momentan nicht zu besuchen. Dort erzählt Koch gerne und kurzweilig Geschichten vom königlich preußischen Förster Koch, Polizeijagden, der Hundemeute oder dem Beginn der Strumpfstrickerei der Geschwister Koch im Forsthaus.
Von Hubert Koch können sich einige eine Scheibe abschneiden: Mit 90 Jahren ist er kein Ewig- Gestriger, sondern lebt mitten in der Gegenwart und gibt sein Wissen gerne und unterhaltsam an Jung und Alt weiter.
Heutzutage hat der Förster ganz andere Aufgaben: Der Schutz und die Bewirtschaftung des Waldes stehen da an erster Stelle.
Text: Claudia Pape, Bilder: Steffi Rost