Mythos, Kinderschreck und drei Deutungsversuche
Bödefeld. Sie war der Schrecken so mancher Kindheit: die legendäre Schwarze Hand von Bödefeld. Mit ihr wurden drohende Szenarien aufgebaut, um Kinder im Sauerland und vermutlich auch darüber hinaus gefügig zu machen. Vielleicht erinnert sich auch noch so mancher Heimatliebe-Leser daran.
Was hat es mit der legendären Schwarzen Hand von Bödefeld nun auf sich? Neudeutsch müsste man jetzt sagen: Spoiler, es wird wirklich gruselig, weiterlesen auf eigene Gefahr!
Denn es gibt diesen Kinderschreck tatsächlich. Dabei handelt es sich um eine rechte Hand, die 1722 beim Neubau der Bödefelder Kirche gefunden wurde – relativ klein, deshalb vermutlich von einem Kind, dunkel angelaufen, aber erstaunlicherweise nicht verwest. Und sie soll sich nicht mehr an einem Körper befunden, sondern abgeschnitten worden sein. Seit über 300 Jahren ranken sich nun verschiedene Legenden und Erklärungsversuche um diese Kinderhand, die bis heute in einem Glaskasten im Turm der Bödefelder St. Cosmas und Damian-Kirche ausgestellt wird. Die populärste Geschichte ist die, mit der man seit Jahrhunderten aufmüpfige Kinder erschreckt und zum Gehorsam zwingen will: Darin heißt es, dass ein Bödefelder Mädchen nach seiner Mutter gehauen habe. Bald darauf sei es gestorben und auf dem Friedhof neben der Kirche beerdigt worden. Die rechte Hand, mit der es seine Mutter schlagen wollte, sei jedoch immer wieder aus dem Grab herausgekommen, obwohl der Pastor sie mehrfach zurück in die Erde gedrückt habe. Deshalb hätte er sie abgeschnitten und aufbewahrt als Mahnung von Gott an alle Kinder, niemals die Hand gegen die Eltern zu erheben.
Eine andere Interpretation besagt, dass in Zeiten von mittelalterlichen Femegerichten Kindern auf dem Gerichtsplatz die rechte Hand abgehackt wurde, wenn sie ihre Eltern geschlagen hatten.
Wahrscheinlichste Deutung von Briloner Historiker
Die wohl wahrscheinlichste Deutung stammt von Johann Suitbert Seibertz, einem Juristen und Geschichtsforscher aus Brilon, der von 1788 bis 1871 lebte
und dem übrigens auch das Schloss Wildenstein in Brunskappel gehört hatte. Er wies darauf hin, dass es vor allem im Mittelalter sogenannte „Gottesurteile“ gegeben habe, bei denen zur vermeintlichen Wahrheitsfindung auf übernatürliche Zeichen gesetzt wurde. Besonders unrühmliche Bekanntheit erlangten z.B. die „Wasserproben“ in Hexenprozessen. Im Fall der Bödefelder Hand gab es eine Form des Gottesurteils, bei der ein mutmaßlicher Mörder zur Leiche seines Opfers oder – falls dieses schon begraben war – zu dessen abgeschnittener rechter Hand geführt wurde. Wenn die Wunden bzw. die Hand beim Nähern des oder der Angeklagten begannen zu bluten, galt der-/diejenige als überführt. Wenn kein Blut floss, galt das als Zeichen der Unschuld.
Dieser Deutung zufolge müsste die Schwarze Hand von Bödefeld somit von einem ermordeten Kind stammen. Auf der Internetseite der Bödefelder Kirche heißt es: „Danach wäre das Mädchen unschuldig ermordet worden; an ihrer ausgegrabenen Hand hätte man das Gottesurteil angewandt. Sollte diese Deutung richtig sein, so müsste man dem guten Mädchen Abbitte dafür leisten, dass man immer von ihrer Freveltat an der eigenen Mutter erzählt.“ Es gibt Stimmen, die fordern, die Schwarze Hand zu begraben und dem verstorbenen Kind endlich seine Ruhe zu geben, statt sie weiter als Sehenswürdigkeit auszustellen. Vielleicht fände dann auch der letzte Rest der mit ihr verbundenen schwarzen Pädagogik des erzieherischen Angst-Machens ein Ende.