Auf Achse und darunter

Wenn sie nicht hinterm Steuer sitzt, steckt sie eigentlich im Blaumann. In der Werkstatt des Freienohler Busunternehmens Zacharias Reisen sorgt Pauline Zacharias zusammen mit einem Kollegen dafür, dass auf der Straße und im Bus alles reibungslos funktioniert. Ihre großen Leidenschaften – wie könnte es anders sein: die Fahrzeugtechnik und das Reisen.

6:43 Uhr, pünktlich nach Fahrplan, startet Paulines Arbeitstag. Hinter dem großen Lenkrad eines Mercedes- Linienbusses, auf der Linie R71 von Freienohl Richtung Arnsberg. Vor allem Schülerinnen und Schüler sitzen heute Morgen im Bus, verschlafen, verspielt, gemischte Stimmung vor dem Schulalltag. Anschließend fährt sie die Strecke Freienohl-Wennemen. Kurz nach acht: Frühstück. Und dann ab in den Blaumann und in die Werkstatt. Paulines zweites Zuhause. Nach dem Abi auf dem Arnsberger Laurentianum und ihrer Ausbildung zur Kfz-Mechatronikerin, Schwerpunkt Nutzfahrzeugtechnik, hat die Tochter der Familie hinter dem Traditionsunternehmen Zacharias Reisen im März 2023 ihre Meisterprüfung abgelegt. Heute ist die 23-Jährige nicht nur als Fahrerin europaweit unterwegs, sondern vor allem in der betriebsinternen Werkstatt verantwortlich dafür, dass die 43 Busse des Fuhrparks einwandfrei, sicher und komfortabel fahren. Das tun sie seit über 80 Jahren: im Rahmen des regionalen Linienverkehrs im gesamten Sauerland, deutschlandweit auf Tagestouren und im internationalen Reisebusverkehr.

Gemacht wird, was anfällt

In der Werkstatt steht heute einiges an: An einem Bus müssen die Querlenker getauscht werden. Spachteln, schleifen, kleine Karosseriearbeiten. Bei einem anderen Bus sind die Krümmerschrauben abgerissen, der ist als Nächstes dran. Und eine Tür fährt nicht mehr richtig ins Portal. „Größte Herausforderung ist, immer auf dem neuesten Stand der Technik zu bleiben.“ Das fällt Pauline nicht schwer, weil sie sich für Handwerk und Technik begeistert, seit sie denken kann. Die Entscheidung zur Ausbildung stand da schnell. Als einzige Frau in der Berufs- und Meisterschule hat sie anfangs für Verwunderung gesorgt. „Sobald die Kollegen merken, dass ich die gleichen Tätigkeiten genauso gut mache, legen sich die Klischees“, weiß Pauline und zieht die Radschraube eines großen Reisebusses nach. Ihre Werkstatt ist bestens ausgestattet. Man weiß sich zu helfen. „Mit besonderer Leidenschaft fahre ich den Reiseverkehr. Da lernst du viele verschiedene Menschen und Kulturen kennen. Entdeckst tolle Orte und sammelst neue Eindrücke.“ Ihre erste Auslandsfahrt ging 2022 im Rahmen eines Hilfskonvois an die ukrainische Grenze. Mittlerweile hat sie einige Touren begleitet: Gardasee, Denia, Obergurgel.

Mobilitätswende im Sauerland?

In Sachen Bewegung ist hierzulande einiges in Bewegung. Wo sieht Pauline Zacharias die Zukunft der Mobilität im Sauerland? „Mit dem Thema E-Mobilität werden wir uns sicher auseinandersetzen müssen. Noch spielt es für unser Unternehmen keine Rolle.“ Aufgrund der spezifischen Topografie sei das schwer umzusetzen. Mit den aktuellen Reichweiten sind Elektrobusse auf Linien von 350 bis 450 km – und dann noch auf Strecken wie über den Ochsenkopf – einfach nicht geeignet. Hinzu kommen die schwache E-Infrastruktur auf dem Land und die Mehrkosten für E-Busse, eine große Herausforderung für private Unternehmen. „Wenn wir eine Mobilitätswende wollen, müssen Gesellschaft und Politik mitziehen und entsprechend über Förderungen entscheiden. Vor allem für die ältere Bevölkerung auf dem Land wäre ein Ausbau des ÖPNV ein großer Gewinn.“ Wohin diese Reise geht, bleibt offen. Fest steht, dass Pauline Zacharias gemeinsam mit ihrer Familie und den über 70 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern auch in Zukunft die Mobilität im Sauerland unterstützend aufrechterhalten will. Dazu plant sie, in den kommenden Jahren an der Seite von Vater und Bruder als Teilgesellschafterin in die Gesch.ftsführung einzusteigen. Sie freut sich auf die großen Reisen, die noch vor ihr liegen. Und blickt gespannt auf die neuesten technischen Entwicklungen. Vor allem aber schlägt ihr Herz für Oldtimer und erste Entwicklungsschritte der Fahrzeugtechnik. „Ein großer Traum wäre der Setra S8. Der erste Omnibus mit selbsttragender Karosserie. Ein wichtiger Meilenstein für den heutigen Omnibusbau.“ Dass es den heute nur noch selten gibt, hält Pauline nicht davon ab zu träumen.

Fotos: Ralf Litera