ZIEL IST ES, UNSEREN HEIMISCHEN WALD KLIMAFIT ZU MACHEN!
NACH DER BORKENKÄFERKATASTROPHE IST AUFFORSTUNG EINE WICHTIGE AUFGABE DES FORSTBETRIEBS DER STADT WINTERBERG. HEIMATLIEBE-INTERVIEW MIT FORSTBETRIEBSLEITER MICHAEL KLEINSORGE.


Sie sind auch heute noch präsent und kaum zu übersehen in den Wäldern: Die Folgen der Borkenkäferplage! Und dies mit langfristigen Konsequenzen. So steht auch im Forstbetrieb der Stadt Winterberg das Thema Aufforstung ganz oben auf der Agenda. Seit dem Jahr 2023 wurden vom Forstbetrieb rund 360.000 Setzlinge gepflanzt. Im Interview mit der Heimatliebe verrät Revierförster Max Lange unter anderem, wie wichtig die Aufforstung ist, welche Baumarten gepflanzt werden und welche Herausforderungen es gibt.
1. WIE HAT SICH DIE AUFFORSTUNG IN WINTERBERG NACH DER BORKEN-KÄFERPLAGE ENTWICKELT?
Die Aufforstung ist erst seit Beginn der so noch nie da gewesenen Borkenkäferkatastrophe Thema beim Forstbetrieb der Stadt Winterberg. Begünstigt durch Trockenheit und Hitze hat der Borkenkäfer seit 2019 großflächig Fichtenwälder zum Absterben gebracht. Unsere Aufgabe war es erstmal, die riesigen Mengen Fichtenholz einzuschlagen und abzutransportieren. Seit 2022 hat die Aufforstung großflächig begonnen. Die Wiederbewaldung ist nun Schwerpunkt und zugleich Daueraufgabe für die Waldbesitzer und wird noch einige Jahre andauern.
2. WELCHE METHODEN UND TECHNIKEN WERDEN BEI DER AUFFORSTUNG ANGEWENDET?
Wichtig ist die Priorisierung der einzelnen Schadflächen. Beim Begehen der Schadflächen schaut man, ob sich bereits Sämlinge von Pioniergehölzen (Birke, Weide, Vogelbeere) oder anderen Mischbaumarten von selbst etablieren (auch Naturverjüngung genannt) und ob in der Nähe der Schadflächen alte, potentielle Samenbäume vorhanden sind, die für eine natürliche Verbreitung der entsprechenden Baumart sorgen können. Stellt man ausreichend Naturverjüngung auf der Fläche fest, ist diese nicht prioritär, hier müssen lediglich Fehlstellen durch eine aktive Pflanzung von Bäumen ergänzt werden. Ist auf einer großen Schadfläche keine Naturverjüngung zu finden und auch nicht zu erwarten oder ist die Naturverjüngung nicht geeignet, ist diese Fläche prioritär. Hier werden aktiv flächig Bäume verschiedenster, klimaangepasster Baumarten gepflanzt.



3. WELCHE BAUMARTEN WERDEN BEVORZUGT GEPFLANZT UND WARUM?
Grundsätzlich werden viele verschiedene Baumarten gepflanzt, um das Risiko auf mehrere Schultern zu verteilen. Sollte eine Baumart nicht mit den Bedingungen des Klimawandels zurechtkommen, stehen auf der Fläche andere Baumarten, die die Lücke schließen können. Wir wählen die Baumarten aus, die nach aktuellen Erkenntnissen, Erfahrungen und dem aktuellen Stand der Forschung besser mit Trockenheit und Hitze zurechtkommen als die Fichte. An heimischen Baumarten pflanzen wir zum Beispiel Eiche, Bergahorn, Buche, Weißtanne und Lärche. Aber auch einige eingeführte Baumarten sind Hoffnungsträger wie zum Beispiel die Douglasie, Küstentanne, Roteiche oder Esskastanie. Ziel ist es, mit den Baumarten im Wald der Zukunft weiter Nutzholz zu produzieren, sodass die nachfolgenden Generationen weiterhin regional produziertes Bauholz und Energieholz zur Verfügung haben. Gleichzeitig muss der Wald der Zukunft auch alle anderen Ökosystemleistungen wie Bodenschutz, Trinkwasserschutz und Naturschutz nachhaltig gewährleisten.
4. WELCHE HERAUSFORDERUNGEN GIBT ES BEI DER AUFFORSTUNG IN WINTERBERG?
Auf den Fichten-Kalamitätsflächen muss ein gemischter und widerstandsfähiger Wald entstehen. Die aktuelle Situation, einen Baumartenwechsel auf großer Fläche mit anderen, klimastabileren Baumarten hinbekommen zu müssen, hat es so noch nie gegeben. Diese Daueraufgabe ist grundsätzlich eine große Herausforderung. Bei der Aufforstung ist zudem die Witterung entscheidend, aber leider nicht beeinflussbar. Pflanzt man etwa im Frühjahr 100.000 Setzlinge, anschließend fällt aber 4 Wochen und mehr kaum Regen, werden fast alle Setzlinge vertrocknen. Auch die Konkurrenzvegetation auf den Schadflächen ist oft ein Problem. Die kleinen Pflänzchen werden zugewachsen bzw. erdrückt von Gräsern und Gebüsch und müssen dann sehr aufwändig freigeschnitten werden. Eine weitere große Herausforderung ist der Wildverbiss. Für Rehe und Hirsche sind die Knospen dieser neuen Baumarten etwas ganz besonders Leckeres. Daher müssen gepflanzte Forstkulturen oft aufwändig und kostenintensiv eingezäunt werden. Zudem gibt es Käferarten und Mäuse, die liebend gerne an frisch gepflanzten Bäumchen oder deren Wurzeln knabbern.
5. WELCHE MITTELFRISTIGEN ZIELE HAT DER FORSTBETRIEB FÜR DIE AUFFORSTUNG?
Unsere Strategie ist wie erwähnt die Wiederbewaldung mit vielen verschiedenen Baumarten, also heimische Nadel- und Laubbaumarten kombiniert mit nicht heimischen Baumarten, die besser mit Trockenheit und Hitze zurechtkommen. Unser Ziel ist ein klimaresilienter Mischwald. In den nächsten 5 Jahren ist das Ziel, auf den Schadflächen den Grundstein für den Aufbau eines klimastabilen und artenreichen Mischwaldes zu legen.
6. WIE WIRD DER ERFOLG DER AUFFORSTUNGSMASSNAHMEN GEMESSEN UND BEWERTET?
Bei regelmäßigen Kontrollen auf den Flächen wird der Anwuchserfolg begutachtet. Mögliche Ausfälle werden festgestellt und dann nachgebessert. Es wird geschaut, ob die Bäume vital wirken und ihr arttypisches Wachstum zeigen. Zudem wird der Wildverbiss auf den Flächen erhoben. Ist er zu hoch, muss jagdlich gesteuert werden. Auch die Schäden durch Fraß von Käferarten und Mäusen werden erfasst. Erfolg ist dann gegeben, wenn sich auf der Fläche mindestens 4 verschiedene Baumarten etabliert haben und vital wachsen.
7. WELCHE ROLLE SPIELEN FREIWILLIGE BEI DER AUFFORSTUNG ZUM BEISPIEL ÜBER DAS PROJEKT „HEUTE FÜR MORGEN PFLANZEN“?
Über freiwillige Mithelfer freuen wir uns immer sehr. Wir sind dankbar für jeden gepflanzten Baum. Jeder Baum zählt! Neben der Unterstützung bei der praktischen Arbeit nutzen wir die Möglichkeit, um den Gästen und Helfern die Zusammenhänge zwischen Mensch und Natur sowie die Bedeutung des Waldes für uns Menschen näher zu bringen, vor allem auch den kleinen Helfern. Unser Ziel ist es, dass die Helfer am Ende stolz auf sich sind, dass sie bei der Mammutaufgabe Wiederbewaldung einen Teil beigetragen haben.
8. WIE WIRKT SICH DER KLIMAWANDEL AUF DIE AUFFORSTUNGSSTRATEGIEN IN WINTERBERG AUS?
Der Klimawandel ist der Grund, warum wir gerade so viele Flächen aufforsten müssen. Der Wald hat die durch den Klimawandel zunehmenden Extremwetterereignisse mit voller Wucht zu spüren bekommen. Das Herausfordernde am Klimawandel ist, dass er eine gewisse Unsicherheit mit sich bringt. Es gibt zwar Modellrechnungen, aber wie genau das Klima in 80, 100 oder 200 Jahren ist, weiß niemand genau. So alt und noch viel älter werden aber die Bäume. Das heißt, die Bäume, die wir heute pflanzen, müssen mit dem aktuellen und mit dem Klima in 100 Jahren und mehr zurechtkommen. Daher müssen wir jetzt viele verschie- dene Baumarten pflanzen, um für die sich ändernden Bedingungen breit aufgestellt zu sein.
Text: Carmen Ahlers Fotos: Stadt Winterberg