ZÄSUR 1975: WIE DIE KOMMUNALE NEUGLIEDERUNG WINTERBERG VERÄNDERTE
EIN BLICK ZURÜCK AUF DIE GEBURTSSTUNDE DER STADT WINTERBERG.
Es war ein tiefgreifender Einschnitt, der die Landkarte des Sauerlandes nachhaltig veränderte: die kommunale Neugliederung im Jahr 1975. Auch für die traditionsreiche Stadt Winterberg bedeutete dieses Jahr eine Zeitenwende. Aus ehemals selbstständigen Gemeinden formte sich eine neue Einheit aus der Kernstadt Winterberg und 14 Dörfern, die allesamt bis heute das Gesicht der Region prägen. Doch was genau geschah damals, und welche Auswirkungen hatte dieser Umbruch für Winterberg und seine Bürger? Damit befasst sich insbesondere ein Heimatliebe-Sondermagazin, das schon bald erhältlich sein wird. Vorab ein paar Einblicke in die Geschichte der Kommunalen Neugliederung:
DAS ZIEL: STÄRKERE GEMEINDEN FÜR DIE ZUKUNFT
Vor 1975 war Winterberg kleinteilig. Viele eigenständige Gemeinden prägten das Bild. Jede hatte ihre eigene Verwaltung und ihre eigenen Interessen. Die kommunale Neugliederung war Teil einer landesweiten Strategie in Nordrhein-Westfalen. Ziel war es, zersplitterte Verwaltungsstrukturen zu straffen und Gemeinden effizienter zu organisieren. Für Winterberg bedeutete dies vor allem: ein starkes Wachstum.
„Hinter der Gebietsreform stand damals die Idee, leistungsfähigere Verwaltungseinheiten zu schaffen. Viele kleinere Gemeinden waren den gestiegenen Anforderungen an Infrastruktur und Dienstleistungen nicht mehr gewachsen. Ziel war es, durch Zusammenschlüsse größere, wirtschaftlich stärkere Kommunen zu bilden“, erläutert Winterbergs Bürgermeister Michael Beckmann die Beweggründe für die Reform.
WINTERBERG WÄCHST: DIE EINGEMEINDUNGEN
Für Winterberg bedeutete die Neugliederung die Eingemeindung zahlreicher umliegender Dörfer und Gemeinden. Dazu gehörten Altastenberg, Neuastenberg, Siedlinghausen, Altenfeld, Hoheleye, Elkeringhausen, Grönebach, Hildfeld, Langewiese, Mollseifen, Niedersfeld und Züschen. Diese Eingliederungen vergrößerten nicht nur die Fläche Winterbergs enorm, sondern brachten auch eine Vielfalt an Kulturen und Traditionen unter ein gemeinsames Dach. Besonders bemerkenswert an dieser Neuordnung war, dass Winterberg Gemeinden aus fünf verschiedenen Ämtern integrieren musste:
- Die Kernstadt Winterberg
- Gemeinden aus dem ehemaligen Amt Niedersfeld (Altastenberg, Elkeringhausen, Grönebach, Hildfeld, Niedersfeld und Silbach)
- Gemeinden aus dem ehemaligen Amt Berleburg (Langewiese, Neuastenberg, Mollseifen und Hoheleye)
- Züschen aus dem ehemaligen Amt Hallenberg
- Siedlinghausen aus dem ehemaligen Amt Bigge
- Altenfeld aus dem ehemaligen Amt Fredeburg
Ebenfalls bemerkenswert ist die gelungene Balance zwischen zentraler Verwaltungseffizienz und lokaler Eigenständigkeit. Die einzelnen Ortsteile konnten ihre kulturelle Identität bewahren, während sie gleichzeitig von der gemeinsamen touristischen Vermarktung und koordinierten Infrastrukturentwicklung profitieren. Diese Synergie spiegelt sich in den beeindruckenden Besucherzahlen wider-jährlich 1,5 Millionen Übernachtungen und 2 Millionen Tagesgäste sprechen eine klare Sprache.
HERAUSFORDERUNGEN UND CHANCEN DES NEUBEGINNS
”Die Zusammenführung so unterschiedlicher Orte war allerdings nicht ohne Herausforderungen. Es galt, gewachsene Strukturen zusammenzuführen, Verwaltungen zu harmonisieren und ein neues Gemeinschaftsgefühl zu entwickeln.“, so Michael Beckmann rückblickend. Der Unmut unter der Bevölkerung war dann auch zunächst spürbar, denn viele sahen ihre eigene Identität und Traditionen in Gefahr. Wie sollten so unterschiedliche Orte unter einer gemeinsamen Verwaltung harmonieren? Doch die Neugliederung bot auch immense Chancen: die Möglichkeit, Ressourcen effizienter zu nutzen, die Infrastruktur flächendeckend zu verbessern und die Region als attraktiven Lebens- und Wirtschaftsraum zu stärken.
EIN ERBE, DAS WEITERWIRKT
Auch Jahrzehnte später prägt die kommunale Neugliede- rung das Leben in Winterberg. Die international bekannte Tourismus-Destination am Kahlen Asten hat sich als handlungsfähige und zukunftsorientierte Einheit etabliert, die die Stärken ihrer einzelnen Ortsteile vereint. Das Jahr 1975 bleibt somit ein wichtiger Meilenstein in der Geschichte Winterbergs – der Beginn einer neuen Ära der Zusammenarbeit und Weiterentwicklung.
Was damals für viele ein radikaler Schnitt war, ist heute ein Schlüssel zur Weiterentwicklung. Winterbergs Bürgermeister ist sich sicher: „Winterberg beweist, dass Geschichte mehr ist als Erinnerung – sie formt die Zukunft. Bestes Beispiel ist das Projekt „Unser Winterberg 2035“. Die geplanten Investitionen von 48 Millionen Euro zwischen 2025 und 2028 unterstreichen den Willen, Kernstadt und Ortsteile gleichermaßen weiterzuentwickeln.“ Winterberg zeige damit beispielhaft, wie eine kommunale Neugliederung langfristig zum Erfolg einer gesamten Region beitragen kann.
Text: Ralf Hermann Fotos: Stephanpetersdesign, Privat