Update aus dem Cockpit

Tim, Mario und Alex und das maximale Flugerlebnis

Der 1. September 2020 ist ein besonderes Datum für Tim Schröder, Mario Hachenberg und Alex Günzel. An dem Tag kam ihr Cockpit endlich in Attendorn an. Geliefert aus Russland, aus Moskau. Die Boeing 737, zu der das Cockpit gehörte, wurde 1994 gebaut und fast drei Jahrzehnte unter anderem bei der amerikanischen Fluglinie Continental Airlines und der russischen Fluggesellschaft UTair geflogen. Vor vier Jahren kaum mehr als eine Hülle aus Metall, ist es heute ein nahezu perfekter Flugsimulator. Selbst eine Passagierkabine gehört dazu. Höchste Zeit also für ein Update aus dem Cockpit!

DIE PERFEKTE ILLUSION
Es ist ein schöner sonniger Nachmittag. Auf dem Flughafen Köln/Bonn ist jede Menge los. Gerade hat eine Maschine der Eurowings ihre Parkposition erreicht. Gepäckwagen bewegen sich über das Rollfeld. Eine Gangway steht bereit, um an den Rumpf anzudocken. Überall sind Bodenlotsen, sogenannte Marshaller, zu sehen. Tim und Mario sitzen im Cockpit ihrer Boeing 737 und treffen Vorbereitungen für den Start. Nach einer halben Stunde geht es auf die Piste. Das Ziel ist an diesem Tag Paderborn, nur eine kurze Reise. Gleichwohl mit herrlichem Blick auf die Heimat. Tim schiebt den Schubhebel für die Triebwerke nach vorne, die Geräusche steigen an und der Flieger setzt sich in Bewegung. Wie bei einem echten Flug also.

AUSGEMUSTERT
Der Grund für eine Ausmusterung eines Fliegers: die Passagierkabine ist nicht mehr attraktiv genug. Oder – und das ist seltener der Fall –, die Lebenszyklen bemessen an der Anzahl der Starts und Landungen sind schlicht überschritten. In Deutschland gibt es keine Flugzeugverwerter, es gibt sie in Spanien, in England, in den USA oder in Russland. „Cockpits und dabei auch noch das einer Boeing 737 stehen nicht jeden Tag zum Verkauf. Wenn es aber eins gibt, dann muss man es nehmen. Und unser stand nun mal in Moskau“, erklärt Tim, der eigentliche Initiator. „Als Tim sagte, das Cockpit kaufen wir jetzt, haben Alex und ich erstmal laut gelacht.“, sagt Mario.

ONCE IN A LIFETIME
Flugkenntnisse hat Tim seit vielen Jahren. Mit 15 machte er den Flugschein und besitzt einen Segler. Und Mario und Alex sind sogenannte Planespotter, in der ganzen Welt unterwegs und fotografieren Flugzeuge aller Art mit verschiedensten Sonderlackierungen. „Once in a Lifetime“, so nennen die drei ihr gemeinsames Simulator-Projekt. Warum aber musste es unbedingt eine Boeing 737 sein? Was ist das Besondere an diesem Flugzeugtyp, der 1969 seinen Erstflug hatte, die weltweit meistgebaute Familie strahlbetriebener Verkehrsflugzeuge ist und heute in der dritten und vierten Generation parallel gefertigt wird?

„Jede Boeing basiert in vielen Technologien im Grunde immer noch auf der Erstversion“, erklärt Tim den Charme der Boeing 737. Was er damit meint: Die Boeing ist eine Kombination aus moderner Technik und manuellem Steuern. Also auch heute ein echtes Pilotenflugzeug, weil der Pilot immer das letzte Wort hat.
Im Unterschied zum Airbus. Hier gehen die Befehle des Piloten erst durch einen Computer, werden analysiert und dann teilweise dosiert weitergegeben. Was Tim weiter gefällt: Nicht nur das Äußere hat sich bei der Boeing seit ihren Anfängen kaum geändert. Im Unterschied zum Airbus gibt es im Cockpit neben digitalen Anzeigen beispielsweise noch Zeiger und so ist die 737 auch in ihrer neuesten Generation in vielen Details sozusagen ein Oldtimer.

ALLES ECHT
Zurück zum 1. September 2020: Nachdem das Trio eine geeignete Halle in Oberelspe gefunden hatte, ging es los und ein Jahr später war das Cockpit flugbereit. „Allerdings sehr minimalistisch, die Triebwerke wurden beispielsweise noch mit der Maus gestartet und vor der Scheibe stand ein Bildschirm“, erklärt Tim. In der Zeit und auch danach hat er zusammen mit Mario und Alex fast jeden Tag in dem Cockpit verbracht. Hat vermessen, verlegt, geschraubt und montiert – in vielerlei Hinsicht eine sehr kleinteilige Arbeit, die Fingerspitzengefühl und oftmals sehr viel mehr Zeit in Anspruch nimmt als geplant. Dahinter steckt eine riesige Technik mit insgesamt sieben Computern. Die einzelnen Komponenten sind im Internet zusammengesucht. Der Anspruch: bei maximaler Detailgenauigkeit sollen alle Bauteile original sein.

„Im Netz gibt es eine große Community“, sagt Mario. „Wir sind mit vielen Leuten im Austausch. Gleichwohl, in Deutschland sind wir am weitesten.“ Ein besonderes Highlight ist die Projektionsleinwand mit einer 180-Grad-Sicht. Und auch eine Passagierkabine gibt es. Mit Nichtraucher- und Anschnall-Anzeige. Eben alles echt! Das aktuelle Vorhaben: Die Installation
einer Bordküche.

Es ist nicht allein und an sich das Fliegen, das Tim, Mario und Alex am meisten interessiert. „Die Zeit des Starts und der Landung macht für mich die Faszination aus“, sagt Mario. Checklisten lesen, mit den Lotsen funken, den Flugplan vorbereiten, Treibstoffbedarf und Wetter berechnen … Piloten haben viel zu tun, um mit einer planmäßigen Flugvorbereitung die Sicherheit und den Schutz der Besatzung und Passagiere zu garantieren. „Wenn man im Netz ist, muss man reales Wetter haben, sonst hat es keinen Sinn“, sagt Tim, der als einziger des Trios einen Funkschein hat. Eine Baustelle für Mario und Alex. Vor 9/11 (11. September 2001) war übrigens noch ein „echter Absturz“ möglich. Wenn das heute passiert, sieht man eine schwarze Wand.

Text: Birgit Engel, Fotos: privat, Birgit Engel