Rattlarer Kirchenbau

Vor über 70 Jahren wurde die Kirche in Rattlar geweiht. Nach einem erneuten Umbau vor über 10 Jahren ist die Lichterkirche Rattlar heute ein wichtiger Halt des Pilgerwegs im Upland.

„Rattlar soll wieder eine eigene Kirche erhalten,“ dies war der Wunsch Vieler zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Denn bisher gingen die Rattlarer vermehrt in das Kirchspiel nach Usseln oder aber während der Inflationszeit wurde der Gottesdienst im Saal der Alten Schule in Rattlar abgehalten.
Schließlich war es Pfarrer Dr. Viering, welcher die Initative ergriff, und sich für ein neues Gotteshaus in Rattlar einsetzte. Im Jahr 1933 fand die erste Versammlung hierzu statt. Dabei wurde der Anstoß zur Gründung eines Kirchenbauvereins gegeben. Mit einer Grundlage von 2200 Reichsmark, die binnen 9 Monaten durch Spenden zustande kamen, stand das Projekt in den Startlöchern. Die Rattlarer hatten ein gemeinsames, großes Ziel: Eine eigene Kirche.

Bau
Doch wo findet man in Rattlar das passende Grundstück für eine Kirche? Der alte Friedhof wurde bald darauf als neuer Bauplatz festgelegt und die Familie Genuit-Gerdes stellte dieses Grundstück kostenfrei zur Verfügung. Nun sollte es jedoch bis zum Ende des Zweiten Weltkrieg dauern bis das Projekt Rattlarer Kirche erneut angestoßen wird. Dieses Mal war es der zuständige Kirchenspielpfarrer Superintendent Frenzel, welcher den Plan erneut aufgriff. Durch seine Initative kam es erneut zu einer Spendensammlung der Rattlarer Bürger. Für diesen Zweck wurde in der damaligen Zeit ein goldenes Buch angelegt in denen alle Spender der Kirche aufgelistet wurden, um so auch die Bereitschaft der Bevölkerung zum Spenden zu stärken und den Opferwillen der Rattlarer für zukünftige Generationen festzuhalten. Dies war der Ausdruck einer dörflichen Gemeinschaft und eines festen Bürgerwillens, nach über 300 langen Jahren wieder ein eigenes Gotteshaus inmitten des Dorfes zu haben.
Der Kreisbaumeister i. R. Rappold arbeitete an der Ausarbeitung eines Entwurfs für die neue Kirche. Zunächst entwarf er eine Kirche, die dem Geschmack der Upländer nicht zusagte. Nach seinem Entwurf sollte die neue Kirche keinen Turm erhalten, sondern die Glocke in einem kleinen Vorbau untergebracht werden, woraus sie erklingen sollte. In einer Bürgerversammlung stimmten die Rattlarer jedoch für eine Kirche mit Turm und so sollte es auch geschehen. Die Kirche, wie sie in ihrer heutigen Form zu sehen ist, wurde so geplant und verwirklicht.
Die Firma Fieseler in Ottlar übernahm den Bau der Kirche, wobei auch viele Rattlarer selbst mit Hand anlegten. Weitere Upländer Unternehmen waren mit den zusätzlichen Arbeiten der Kirche beauftragt. Für das Wandbild hinter dem Altar, welches das Gleichnis der Rückkehr des verlorenen Sohnes zeigte, wurde ein extra Kirchenmaler aus Kassel geholt.
Die Glocke der Kirche stammte aus der Mutterkirche in Usseln. Rattlar hatte ursprünglich bei dieser Anschaffung geholfen und, da sich die Usselner sowieso ein neues Geläut anschafften, konnte die Glocke fortan im Turm der neu erbauten Rattlarer Kirche erklingen.

Festliche Kirchenweihe
Nun rückte die Fertigstellung immer näher und endlich war es soweit nach mehreren hundert Jahren hatte Rattlar wieder eine eigene Kirche. Dies wurde in einem festlichen Gottesdienst am Dritten Advent, dem 12. Dezember 1954, um 14 Uhr gebührend gefeiert. Die Kirche wurde an diesem Tag unter Landesbischof D. Wüstemann geweiht.
Die Gesamtkosten für den Kirchenbau betrugen damals knapp 67.000 DM. Diese Summe kam Zustande durch Zahlungen aus der Politik sowie der Kirchengemeinde, durch namenhafte Rattlarer Spenden und durch die Beihilfe von Seiten des Landeskirchenamtes, des Kreiskirchenvorstands, des Kreisausschusses und des hessischen Ministerpräsidenten.

Weitere Anschaffungen
In den Jahren nach der festlichen Kirchenweihe sollten mehr und mehr Anschaffungen die Kirche zu dem machen, wie wir sie noch heute kennen. So wurde im Sommer 1960 eine Orgel angeschafft, die noch heute in der Rattlarer Kirche erklingt. Für kalte Wintertage wurde eine elektrische Heizung installiert, um die Kirche warm zu halten. Zudem wurde 1961 die Glocke mit einer elektrischen Läuteanlage versehen, da diese zuvor noch per Hand zum Tönen gebracht werden musste. Zudem wurde ein Teil der unterkellerten Kirche als Leichenkammer ausgebaut, wodurch Beerdigungen fortan direkt von der Kirche aus stattfinden konnten. Auch ein Außenlautsprecher wurde vor der Kirche angebracht, um so vielen wie Möglichen Platz bieten zu können. In den 90er Jahren wurde außerdem das Bild hinter dem Altar übermalt und an diese Stelle ein Kreuz, gespendet aus einer Partnergemeinde, aufgehangen.
Im Inneren war die Rattlarer Kirche zu der Zeit sehr modern. Von Außen passte diese sich durch das Natursteinmauerwerk an den Charakter des Uplandes an.

Heutige Lichterkirche
Im Jahr 2014 fand ein großer Umbau der Rattlarer Kirche statt. Fortan sollte diese als Lichterkirche erstrahlen und so den Upländer Pilgerweg ergänzen. Zu einem neuen Anstrich gehörte auch die Ausstattung mit einem multimedialen System und verschiedenen Farbeinstellungen. In den kommenden Jahren wird sicherlich noch so manche Neuerung in und an der Kirche vorgenommen.
Neben den normalen Gottesdiensten wurde in all den Jahren in der Rattlarer Kirche so manches Jubiläum, manche traurige Abschiedsfeier und mancher feierlich-fröhlicher Anlass gefeiert. Und auch bei der Rückkehr in das heimische Dorf wird der ein oder andere
Rattlarer immer wieder froh sein, den Kirchenturm vor der Kulisse des Hermannsberges zu sehen.

Text: Emma Göbel
Fotos: Privat