CHRISTINA GRAF – MIT LEIDENSCHAFT UND PIONIERGEIST VOM KOMMENTATORENPLATZ
Die Fußball-EM der Frauen steht vor der Tür, und sie verspricht ein Spektakel der Extraklasse! Leidenschaft, packende Duelle und pure Emotionen erwarten uns auf Europas größter Fußballbühne – technisch anspruchsvolles Spiel, taktische Raffinesse und mitreißende Partien sind garantiert, der Frauenfußball hat sich in den letzten Jahren enorm entwickelt. Eine, die diesen Prozess genau verfolgt, ist die Lennestädterin Christina Graf. Denn sie blickt nicht nur auf eine Karriere als Profi-Fußballerin zurück, sie wird auch im Juli live am Kommentatorenplatz in der Schweiz dabei sein, wenn ein neues Sommermärchen geschrieben werden soll.



FRÜH ÜBT SICH
Christina Graf entdeckte ihre Leidenschaft für den Fußball schon in frühester Kindheit. Aufgewachsen in Heinsberg und inspiriert von ihrem Vater, mit dem sie stundenlang im Garten kickte und den sie zu seinen Spielen begleitete, begann sie im Alter von fünf Jahren bei der F-Jugend der „SG Albaum/Heinsberg“ mit dem Vereinsfußball. Seitdem ließ sie der Sport nicht mehr los…
Mit elf Jahren wurde sie in die Westfalen-Auswahl berufen – ein entscheidender Moment in ihrer sportlichen Laufbahn. Besonders das Spielen in einer reinen Mädchenmannschaft begeisterte sie, da dies damals in ihrer Heimatregion eine Seltenheit war. Die regelmäßigen Trainingslager in Kaiserau boten ihr die Möglichkeit, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und sich mit talentierten Spielerinnen aus ganz Westfalen zu messen. Hier wuchs ihr Ehrgeiz, mehr aus ihrer Fußballkarriere zu machen: Sie spielte bei den „Sportfreunden Siegen“, später dann auch in der Bundesliga für den „SC 07 Bad Neuenahr“ und den „FFC Heike Rheine“.
Doch neben dem Fußball entdeckte sie früh eine weitere Leidenschaft: Den Journalismus. Ein Schulpraktikum bei der „Westfalenpost“ in Altenhundem weckte ihr Interesse für das Schreiben und Recherchieren. Zunächst zog es sie in Richtung Politik – sie wollte Krisenreporterin werden. Aber als sie mit 23 Jahren aufgrund einer Verletzung am Sprunggelenk ihre aktive Fußballkarriere beenden musste, wurde ihr klar, dass der Sport weiterhin eine zentrale Rolle in ihrem Leben spielen sollte – diesmal aus journalistischer Perspektive.
Bereits mit 17 hatte sie erste Erfahrungen im Sportjournalismus gesammelt, als sie parallel zum Fußball bei „Radio Siegen“ anfing. Mit dem Abitur in der Tasche absolvierte sie eine Ausbildung zur Mediengestalterin, nach dem Ende ihrer aktiven Laufbahn entschied sie sich endgültig, sich voll und ganz auf den Sportjournalismus zu konzentrieren. Heute begleitet sie den Fußball nicht mehr auf dem Spielfeld, sondern aus der Kommentatorenkabine – mit der gleichen Leidenschaft, die sie als Spielerin auf den Platz brachte. Viel ist sie unterwegs, einen Ausgleich dafür findet sie
zuhause im Sauerland. Nie hat Christina Graf, die inzwischen in Lennestadt lebt, darüber nachgedacht, aus der Region wegzuziehen, dafür ist ihre Heimatliebe zu groß, dafür fühlt sie sich viel zu sehr mit ihr verbunden, ist auch gelegentlich noch als Außenreporterin für die „WDR Lokalzeit Südwestfalen“ im Einsatz. Und auch wenn sie gern auf Reisen ist, so kommt sie noch lieber zurück…



EIN ECHTES SOMMERMÄRCHEN?
Christina Graf ist vielen als erste Frau bekannt, die ein Spiel der zweiten Fußball-Bundesliga der Herren live im Fernsehen kommentiert hat. Doch sollte diese Tatsache in der heutigen Zeit überhaupt noch eine Rolle spielen? Ihrer Meinung nach wäre es ideal, wenn das Geschlecht eines Kommentators oder einer Kommentatorin keine Erwähnung mehr finden müsste. Doch noch ist es nicht ganz so weit – sie hofft, dass sie und ihre Kolleginnen, darunter Claudia Neumann, Stephanie Baczyk und Christina Rann, dazu beitragen können, dass weibliche Stimmen im Sportjournalismus zur Normalität werden.
Nicht nur im Fußball, sondern auch bei anderen Großereignissen sitzt sie in der Kommentatorenkabine. Ob Olympische Spiele oder Schwimm-Weltmeisterschaften – ihre akribische Vorbereitung ermöglichen den Einsatz als Kommentatorin über den Fußball hinaus. Neben theoretischer Recherche legt sie großen Wert auf praktische Erfahrungen. So besuchte sie beispielsweise für die Paralympics ein Badminton-Trainingslager, um selbst auszuprobieren, wie sich die Sportart aus der Perspektive eines Rollstuhlspielers anfühlt. Ihre Erkenntnis: Nur wer sich wirklich in eine Sportart hineinfühlt, kann sie auch authentisch vermitteln.
Ein ganz besonderes Kapitel in ihrer Karriere war die Fußball-Weltmeisterschaft der Herren 2022 in Katar, die sie für die ARD begleitete. Es war ein Turnier, das nicht nur sportlich, sondern auch politisch und gesellschaftlich im Fokus stand. Sie versuchte, sich trotz der abgeschotteten Fußball-Blase einen möglichst umfassenden Eindruck zu verschaffen. Sportlich war es für sie ein Highlight, das erste Spiel der WM zu kommentieren – ein Moment, der mit großer Anspannung, aber auch mit viel Begeisterung verbunden war. Besonders in Erinnerung geblieben ist ihr ein Interview mit Robert Lewandowski, der nach seinem ersten WM-Tor für Polen überglücklich war und das Gespräch auf Deutsch führte.
Auch für die EM der Herren 2024 im eigenen Land berichtete Christina Graf für die ARD live aus der Kommentatorenkabine. Ihre Vorbereitung darauf war intensiv – von der Analyse vergangener Spiele über das Studium internationaler Presseberichte bis hin zu persönlichen Gesprächen mit Experten vor Ort. Denn am Ende geht es darum, all diese Informationen im entscheidenden Moment abrufen zu können, um den Zuschauerinnen und Zuschauern ein lebendiges und informatives Erlebnis zu bieten.
Ein Bereich, der ihr nach wie vor persönlich besonders am Herzen liegt, ist der Frauenfußball. Die letzte Europameisterschaft hat ihm einen großen Schub verliehen, doch für Christina Graf ist klar: Dieser Aufschwung darf nicht wieder abflachen. Sie sieht die aktuellen Entwicklungen positiv – mit der neuen Verteilung der Übertragungsrechte wird der Frauenfußball einem breiteren Publikum zugänglich gemacht. Für sie ist das ein wichtiger Schritt, um langfristig professionelle Strukturen zu schaffen, die es Spielerinnen ermöglichen, sich voll auf ihren Sport zu konzentrieren. Auch die zweite Bundesliga müsse dabei im Blick bleiben, denn eine starke Basis sei essenziell für die Zukunft des Frauenfußballs.
Ob es bei der kommenden Europameisterschaft wieder ein echtes Sommermärchen geben wird? Die Konkurrenz für das deutsche Team ist stark, die Nationen haben in den vergangenen Jahren alle sehr gute Arbeit geleistet. Sportlich wird es eine Herausforderung, aber wenn die Mannschaft von Christian Wück ihr Potential voll abruft, ist alles drin… Christina Graf glaubt außerdem, dass ein Sommermärchen nicht allein von der Mannschaft geschrieben wird, sondern auch von den Fans. Eine mitreißende Stimmung in den Stadien, gemeinsames Fußballschauen und eine positive Atmosphäre könnten den Unterschied machen. Denn ein Turnier lebt nicht nur von den sportlichen Erfolgen, sondern auch von den Menschen, die es feiern. Und genau dieses Feuer möchte sie mit ihrer Leidenschaft für den Sport weitertragen.
Text: Steffi Funke