Ideefix – Ein Boot Marke Eigenbau

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Andreas Scherbarth an Bord seines neuen Bootes.
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Andreas Scherbarth, Mitglied im Yacht-Club Lister, ist eigentlich Bio-Bäcker. Im Nebenberuf baute er über zwei Jahre ein Schiff. Vom Entwurf, der Planung, dem Einkauf, dem eigentlichen Bau bis zum Stapellauf – alles aus eigener Hand. Jetzt war Taufe.

Andreas Scherbarth steht mit den Stegnachbarn und -freunden am Wasser. Es wird gefachsimpelt, ihm wird gratuliert, auf die Schulter geklopft. Im Wasser liegt sein neues Boot – alles selbst gemacht. Der Weg bis dahin war lang und nicht einfach. Es fängt schon damit an, dass man nirgendwo Pläne findet. Diese musste sich Scherbarth mühsam zusammensuchen und vieles selbst entwerfen. Zunächst mussten grundlegende Fragen beantwortet werden. Die maximale Breite gab die Straßenverkehrsordnung vor, da das Boot noch trailerbar sein sollte und so nicht breiter als 2,50 m sein durfte. Damit war im Rückschluss klar, dass es nicht länger als 8 Meter werden konnte. Als Bauform für den Rumpf entschied sich Andreas S. für einen Knickspant. Dieser ist mit einer Holzkonstruktion deutlich einfacher zu bauen, wie er aus diversen Aufarbeitungen von Booten aus der Vergangenheit wusste.

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Die Ideefix auf einem Probeschlag auf dem Biggesee unter „Vollzeug“. Auch an das Gennaker-Segeln wurde beim Entwurf gedacht.

Während des Segelurlaubs 2015 auf der Ostsee entstehen die ersten Entwürfe und Zeichungen. Hier wurde auch eine lange Wunschliste zusammen gestellt, was das Boot bieten sollte: ein breites Heck, Sonnefläche für seine Frau, große Plicht für gemeinsame Törns, Stehhöhe, große Kojen für eine gemütliche Nachtruhe, einfache Bauweise, Kimmkiele und die Segelfläche sollte zu all dem passen. Fertige Baupläne, an die man den eigenen Entwurf hätte anlehnen können, waren Fehlanzeige. Auf seine Anfragen und Ideenpräsentation bei Yachtdesignern, die er angeschrieben hatte, erhielt er in der Regel nur den in diesem Fall unbrauchbaren Ratschlag, er solle doch besser ein Boot kaufen. Aber das war ja nicht das, was er wollte.

Selbst ist der Mann! In Anlehnung an andere Risse und nach diversen Gesprächen und Beratungen mit Clubfreunden und weiteren kompetenten Leuten entstand schließlich der Grundriss, den er umsetzen wollte. Zu Weihnachten 2015 schenkte er sich selbst ein erstes 1:10-Modell seines zukünftigen Bootes. Es gefiel ihm und er übertrug das Modell als 1:1-Riss, nach dem gebaut werden sollte. Da kam es sehr gelegen, dass im Januar in Düsseldorf die weltgrößte Messe für Wassersport, die boot, stattfindet. Andreas Scherbarth ergriff die Gelegenheit, sprach mit Holzlieferanten und bestellte das Material für sein Boot. Den Vorschlag eines Holzlieferanten bereits computergesägte Sperrholzplatten zu liefern, lehnte er dabei ab. Er wollte es doch selbst machen – warum konnte das keiner verstehen?

Ostern 2016 kam die Lieferung: 8mm Sperrholzplatten, Mahagonileisten und Kleber. Alles landete im Keller und es konnte direkt losgehen. Motiviert bis in die Haarspitzen fing er an, so dass er bis zu den Sommerferien bereits ein Spantengerüst im Keller stehen hatte. Mit demselben Elan vollzog sich während des restlichen Jahres 2016 der Innenausbau. Auch die Leisten zum Beplanken hatte er zu dem Zeitpunkt bereits gefräst.

Um die Holzteile stabil miteinander zu verbinden, wollte er die Teile schäften. Dabei verleimt man Leisten über schräge Flächen und erhält damit eine bis zu 10-mal so große Kontaktfläche. Um dies umzusetzen, baute er sich kurzerhand eine Schäftbank. Auch dies fand alles im Zeitplan statt. Ende Januar 2017 schließlich waren vier der fünf Schiffsseiten fertig und die erste Beplankung war aufgebracht. Passender Weise war dies wieder der Zeitpunkt zur boot nach Düsseldorf zu fahren, um noch einmal letzte Ideen zu sammeln, zu überprüfen, ob alles richtig und sinnvoll konstruiert wurde und den ein oder anderen Schnack mit Gleichgesinnten zu halten.

Nun war es Zeit für den Mastbauer. Auch hier gab es eine kleine Herausforderung, weil das Boot kein Achterstag erhalten sollte. Dieses Drahtseil wird an der Mastspitze befestigt und läuft bis zum Heck. Es verhindert normalerweise, dass der Mast nach vorne umkippt. Der Mastbauer schaffte es, eine zufrieden stellende Lösung ohne Achterstag zu entwerfen.

Beim Segelmacher hatte Andreas Glück. Er hatte jemand gefunden, der selbst schon mal ein Boot gebaut hatte. Statt ihn zu bremsen, fragte der Tuchmacher, wann er denn fertig sein wolle. Andreas rechnete nach, überschlug kurz und kam zu dem Ergebnis, dass der Sommer ein durchaus realistischer Termin sei. Ganz euphorisch stellte er die letzten Arbeiten und Liefertermine nebeneinander: Holzlieferung für den Rest des Rumpfes und das Teakdeck waren schon bestellt, der Termin mit dem Schlosser für den Kiel war gemacht, der Mast beauftragt, mit der letzten Lieferung rechnete er Ende Mai. Ein kurzer Vergleich mit den Slipterminen des Yacht-Club Lister ergab als Stichtag Mittwoch, den 24. Mai 2017 für den Stapellauf.

Mit einem festen Datum vor Augen ging die Arbeit nochmal so gut. Ostern war das Teakdeck dran, das als Bootsdeck gearbeitet wurde. Die letzten Arbeiten forderten auch die letzten Reserven. Für Familie, Firma und Freunde war es eine harte Zeit. Zum Glück spielten sich alle Bauarbeiten im Umkreis von 50m ab, so dass man ihn zumindest zwischendurch ab und zu sah. Bange 14 Tage entstanden, als die Kiele nicht pünktlich geliefert wurden. Warten kann schon sehr zermürbend sein, insbesondere wenn man das Gefühl hat, die Zeit rennt einem weg.

Am 21. Mai konnte Andreas strahlen: Alles war fertig! Nun stellte sich noch die Frage, wie er das Boot aus dem Keller bekommt. Zum Glück hat Andreas ein großes Haus. Er musste zwar am Gebäude noch ein paar Sachen abbauen, aber dann passte das Boot um die Ecke und konnte auf den Anhänger verladen werden. Dort wurden die Kiele befestigt. Pünktlich zum Termin konnte er sein Schiff zur Bigge fahren. Der große Moment war da! Die letzte Frage sollte sich bald klären: Schwimmt es?

Und das tat es! Alles war trocken, er brauchte keine Pumpe und musste auch nicht gleich wieder an Land. Der Trimm stimmte noch nicht ganz, aber das ist laut einem Werftbesitzer, den Andreas auf der boot sprach, bei keinem Schiff so. Noch war das Boot nicht 100% segelklar. Es fehlte noch ein entscheidendes Detail: der Mast und das Segel.

Der Mastbauer lieferte den Mast, der Segelmacher kam vorbei, die letzten Feinheiten wurden erledigt. Nun war es wirklich soweit: der erste Probeschlag konnte erfolgen. Dabei stellten die Segler fest, dass das Boot zu leegierig ist. Das ist für Boote sehr gefährlich, da sie bei viel Wind dazu neigen, nach noch mehr Wind zu gieren. Das macht das Boot schwerer steuerbar. Wünschenswert ist eher eine leichte Luvgierigkeit. Daher musste das Boot nochmal aus dem Wasser, die Kiele mussten etwas nach vorne verschoben werden. Damit änderte sich der Druckpunkt im Segel und das Kräftespiel aus Segel- und Lateraldruckpunkt verschob sich zugunsten des besseren Verhaltens.

Andreas ist froh, dass sowohl seine Frau als auch seine Bäckerei noch da sind. Es ist immer gut, wenn man Menschen um sich herum hat, auf die man sich verlassen kann. Fast jede Minute der Freizeit und auch die ein oder andere seiner Arbeitszeit verbrachte er mit seinem Neubau. Um so mehr freuen sich nun alle über das fertige Schmuckstück. Die reine Bauzeit betrug 14 Monate mit einigen Unterbrechungen.

Das Boot hat eine Länge von 7,80 m. Die Breite beträgt 2,52 m, damit es noch trailerbar ist und in die Boxen des Yacht-Club Lister passt. Mit 1,20 m Tiefgang steht es jedem Skipper frei, mit dem schicken Kimmkieler auch flacherer Gewässer aufzusuchen. Der Mast erstreckt sich ab Deck 10 m in die Höhe und das Rigg weist mit 40 m² (Groß + Fock) schon eine respektable Segelfläche auf. Andreas Scherbarth hat sich dafür ein Foliensegel gegönnt. Ein solches Segel steht besser und man kann damit in der Regel schneller segeln. Bisher gab der Wind an der Bigge ein Aussegeln aber noch nicht her. Schiffseigner und Crew sind jedoch mit den bereits gesehenen Segeleigenschaften ganz zufrieden.

Damit man nach einem schönen Segeltag den Abend im Hafen ausklingen lassen kann, wurde eine ansprechende Innenraumgestaltung nicht vergessen. Von der Schiffstoilette über einen 2-Flammen-Kocher inklusive Waschbecken, insgesamt vier Kojen bis hin zur Stehhöhe im Salon wurde an alles gedacht. Prinzipiell ist das Boot damit auch für einen Einsatz auf dem Ijsselmeer oder den Ostsee-Küstengewässern geeignet. Die Stegnachbarn sind schon gespannt, wo es den neuen Schiffsbauer so hintreibt.

Nun läuft ein guter Schluck Sekt über den Rumpf. Andreas tauft selbst. Das neue Boot erhält den Namen „Ideefix“ – weil es aus einer fixen Idee entstand, bei einem Bier mit dem leider mittlerweile verstorbenen Clubfreund Janos Polgar. Die ganze Geschichte des Baus hat Andreas Scherbarth in einem dicken Fotobuch dokumentiert. Es wird sicher Spaß machen, darin Jahr für Jahr zu blättern und sich an all die Arbeit und Erfolge zu erinnern, während man mit einem guten Glas Rotwein und einem leckeren Bio-Brot an Deck sitzt und den Sonnenuntergang genießt.

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