Hettwich meint: „Ich packe meinen Koffer …“

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„… aus und bin wieder da: in der Heimat! Und stelle fest: Nach längerer Abwesenheit ist sie doch am größten, die Heimatliebe.“

Hettwich meint: "Ich packe meinen Koffer …" - region, attendornDen Lieben, die daheim geblieben sind, denen werden natürlich als Erstes die schönsten Urlaubsfotos direkt vom Handy am Auge vorbeigewischt, dass es einem schwindelig werden kann: das Wetter viel besser als da, wo du warst, das Essen super, die Menschen total freundlich, die Kinder sind voll gerne gewandert und für Kirchen hat sich unsere Dreijährige doch schon immer interessiert.

Hettwich meint: "Ich packe meinen Koffer …" - region, attendornJa, da kann man dann entweder blass werden vor Neid oder sich mit Hemmingway denken: „Um glücklich zu sein, braucht man eine gute Gesundheit und ein schlechtes Gedächtnis.“ Oder wie meine Oma immer schon sagte: „Mach dir deine Welt, wie sie dir gefällt.“

Ach, es wäre eigentlich schön, wenn einem das auch zu Hause gelänge: sich mal bei der Betrachtung der eigenen Heimat nur die Rosinen rauszupicken. Wie anders würde man dann über die eigene Stadt, die Nachbarn und sogar die liebe Familie sprechen? Wäre das schön! Am Ende würde man es womöglich selber glauben und den Sand im Getriebe nicht mehr sehen.

Apropos Sand: Während sich vor mancher Waschmaschine noch die Sandspuren ferner Strände finden, ist es schon bald wieder soweit und die ersten Spekulatius ziehen ein in die Supermarktregale. „Jetzt schmecken sie doch am besten“ tönen dann die Pfeffernüsse, die das Warten verlernt haben. Also, ich meine ja, „Vorfreude ist die schönste Freude“, und das gilt übrigens auch für manche Urlaube, aber das erzählt man dann natürlich nicht!

Aber die Frage ist: Wer kann denn heute noch warten? Und warum sollte man heute überhaupt noch warten?

Wo ich doch heute bestellen kann und es morgen da ist? Eigentlich komisch, dass es noch eine „Spargelzeit“ gibt. Während Erdbeeren ganzjährig parat stehen (dann aber nur optisch ein Genuss sind). Und völlig unverständlich ist eigentlich, wie sich die mit der Piemont-Kirsche noch eine Sommerpause leisten können. Briefe schreiben ist natürlich ebenso Retro wie aufs Christkind warten, aber da gibt es auch noch die Romantiker, die trotzdem
schreiben. Denn denen ist klar, dass niemand in 40 Jahren auf dem Dachboden eine verstaubte „Liebeswhat’s up-Nachricht“ finden wird.

Warten können ist trotzdem nicht nur im überfüllten Wartezimmer vom Kinderarzt wichtig (Warum gibt es da eigentlich nur so wenige, mit so kleinen Wartezimmern, in denen dann noch ganze Sippen von Familien mit oder ohne Migrationshintergrund mit ihrem EINEN Patienten warten?).

Warten scheint aber als Erziehungsziel nicht mehr angesagt zu sein. Wenn das Kind quengelt, wird es direkt nach den Wünschen befragt, die natürlich sofort von den Lippen abgelesen werden. Da wird so manchem Kind der Hintern hinterhergetragen, dass man die Eltern gerne in den selbigen treten würde.

Wie soll das Kind denn dann mal klarkommen in einer Welt, die nicht auf es gewartet hat? Die sich gar nicht nur um den kleinen Sonnenschein dreht? Der das aber bisher gedacht hat, weil zu seiner direkten Bedürfnisbefriedigung doch immer Mama, Papa, Oma, Opa parat standen. Mit dem Problem stehen wir hier in Deutschland aber nicht alleine, da züchten auch Nachbarländer sich ihre Zukunftsprobleme selber: In Österreich werden gerade in den ersten Kindergärten Café-Bereiche eingebaut, in die die Kinder kommen können, wie sie Lust und Hunger haben. Weil doch jeder Mensch ein Individuum ist und andere Bedürfnisse hat. Da kann man doch von Kindern nicht erwarten, dass sie zum gleichen Zeitpunkt Hunger haben! Nein, da ist es wichtig, die Selbstbestimmung des kleinen Fruchtzwergebombers zu fördern, sodass er auf keinen Fall warten muss.

„Heiland, schmeiß Hirn vom Himmel“, mehr fällt selbst mir dazu nicht ein. Deswegen ist es eigentlich ganz gut, dass jetzt ALLE auf die nächsten Sommerferien warten müssen, ob sie wollen oder nicht.

von Anja Geuecke [Text]
und Björn Bernhardt [Foto]

Hettwich vom Himmelsberg
Kabarettistin, Theater-, Sozial- und Religionspädagogin
Telefon: 0 27 22 – 40 9678
E-Mail: anjageuecke@web.de

Hettwich meint: "Ich packe meinen Koffer …" - region, attendornDieser Artikel wurde zuerst in der Print-Ausgabe unseres HEIMATLIEBE-MAGAZINs veröffentlicht.

 

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