150 JAHRE EINIGKEIT AM ZWISTKOPF
DIE SCHÜTZEN IN NEUASTENBERG FEIERN EIN GROßES JUBILÄUM.
Was tut man an einem Weihnachtstag im Jahr 1875? Spontan fällt einem da sicher so manches ein – einen Schützenverein gründen aber vermutlich eher weniger. Doch genau das haben drei Männer für Neuastenberg, Mollseifen und Lenneplätze getan; vielleicht weil sie vom nur ein Jahr zuvor ins Leben gerufenen Schützenverein im benachbarten Langewiese angesteckt waren.
„Es ist Zweck dieses Vereins, die Heimatliebe und die Vaterlandsliebe zu wecken und […] diese alljährlich durch die Feier eines Schützenfestes zu bekunden.“ Dabei sollte der „Tanz das Primäre und nicht das Vogelschießen“ sein. So beschlossen es die Männer der ersten Stunde und hätten damals wohl nicht gedacht, dass ihr Verein drei Kaiser, zwei Weltkriege, vier Reichspräsidenten und zehn Bundeskanzler erleben und 150 Jahre später immer noch bestehen würde. Gleich im nächsten Sommer wurde das erste Schützenfest gefeiert. Weil das landwirtschaftlich geprägte Leben damals durch die Höhenlage von Neuastenberg noch ein bisschen schwerer als in anderen Sauerlanddörfern war, fanden anfangs die Schützenfeste im August statt, denn viele Männer aus dem Ort gingen für viele Monate auf Hausier-Handel und kamen erst zur späten Heuernte im Juli wieder. 1894 wurde das Hochfest auf das zweite Juli-Wochenende vorverlegt, wo es bis heute gefeiert wird.
Nach 25 Jahren Feiern im Lakenzelt war der Wunsch nach einer eigenen Halle übermächtig. So pachteten die Schützen von der Fürstlichen Rentkammer des Grafen Wittgenstein für seinerzeit 50 Pfennig pro Jahr ein Grundstück am „Zwistkopf“. Allein diese Adresse sagt schon viel über die Geschichte von Neuastenberg und seines Schützenvereins aus: Zwist steht für Streit – und den hat es in der Grenzregion zwischen Wittgenstein und Winterberg sehr oft gegeben. Er ist sogar der Grund, warum Neuastenberg existiert, denn 1713 begann Graf Casimir zu Sayn-Wittgenstein, die Höhendörfer und als erstes „das neue Dorf auf dem sogenannten Astenberge“ zu gründen, um seine Grenze abzusichern. Genau 100 Jahre seiner Schützengeschichte gehörte Neuastenberg zum Kreis Wittgenstein, bis es 1975 im Zuge der Kommunalreform nach Winterberg eingemeindet wurde. Der Verein ist früher wie heute sprichwörtlich grenzübergreifend: Neben Mollseifen gehörte auch das immer schon westfälische Örtchen Lenneplätze zum Einzugsbereich. Und auch aktuell zeigen die Mitgliederzahlen, dass in Neuastenberg nach wie vor über den Kirchturm hinausgedacht wird: Im Schützenverein sind mehr Schützen aktiv, als die drei Dörfer an potentiellen männlichen Einwohnern haben – darunter sind gerade in den vergangenen drei Jahren durch aktive Werbung auch so einige niederländische Nachbarn mit Zweitwohnsitz im Dorf eingetreten.
EINE SCHÜTZENHALLE UND EIN LOTTOGEWINN
Die schon erwähnte Schützenhalle ist nicht nur wegen ihrer Anschrift bemerkenswert: Im Jahr 1900 erbaut, ist das zeltartige Fachwerk-Gebäude das einzige weit und breit mit einem tragenden Pfosten mitten auf der Tanzfläche. Gut sichtbare Biss-Spuren zeugen davon, dass hier nach dem Ersten Weltkrieg die Pferde der dort stationierten Soldaten das Holz angenagt haben. Ein ebenso ungewöhnlicher wie wichtiger Meilenstein der Neuastenberger Schützen(hallen)geschichte ist das Jahr 1971. Die Halle war kurz vor dem 100-jährigen Jubiläum schwer in die Jahre gekommen, obwohl die Schützen sie laufend modernisiert und ausgebaut hatten. Es wurde sogar überlegt, die Halle an die zu dem Zeitpunkt noch selbstständige Gemeinde Neuastenberg abzugeben. Unbelastet von den Sorgen der Großen feierten die Kinder 1971 ihr Kinderschützenfest und investierten mit dem dabei erwirtschafteten Überschuss in Lose der Fernsehlotterie. Sie gewannen tatsächlich und stifteten 30.000 DM für den Umbau der Halle. Mit diesem finanziellen Grundstock, einer großzügigen Hutsammlung und der Verpflichtung jedes Schützen, entweder 200 DM oder 40 Arbeitsstunden beizusteuern, wagte der Verein eine umfassende Renovierung, von der die Halle bis heute profitiert.


Auch in puncto Festmusik haben die Neuastenberger Schützen besondere Zahlen aufzuweisen: Seit 25 Jahren sorgt die Knappenkapelle Dreislar auf dem Schützenfest für den richtigen Ton. Und seit sage und schreibe 66 Jahren ist der Spielmannszug Züschen sonntags mit von der Partie und unterstützt die Festkapelle beim Festzug. In den ersten Jahrzehnten wurde neben dem Vogel auch zusätzlich ein Geck geschossen. Der glückliche Geck-Schütze galt als Hofnarr auf dem Schützenfest und durfte Späßchen treiben. Weil es jedoch immer schwieriger wurde, in den drei kleinen Dörfern jedes Jahr einen Schützenkönig und einen Geck zu finden, gab es 1953 einen ersten Vorstoß, das Geckschießen abzuschaffen, der noch mehrheitlich abgelehnt wurde. Zwei Jahre später war der Geck dann jedoch Geschichte. Der guten Laune tat dieser Schritt keinen Abbruch, denn in der Chronik ist vermerkt: „Die Fidelitas riss dann auch nicht mehr ab.“



HISTORISCHE KÖNIGINNEN-KRONE
Die Schützenkönigin ist natürlich auf jedem Fest ein besonderer Blickfang. In Neuastenberg lohnt es, ganz genau hinzusehen – und zwar auf die Krone: Wer sich die historischen und heutigen Fotos der Königinnen genau ansieht, erkennt die markante Krone von den allerersten Fotos der Geschichte wieder. Das ist umso schöner, als die Königskette aus der Gründungszeit mitsamt 59 Königsorden und den Protokollen in den Wirren des Zweiten Weltkrieges leider verloren ging.
Vielleicht bemerkt man beim Lesen, dass dieser Artikel wild zwischen verschiedenen Themen hin- und herspringt. 150 Jahre Neuastenberger Schützengeschichte passen einfach nicht auf vier Seiten – für Erläuterungen, was es Nachlese, Schuhplattlern, Hengstparade, Schweinchenfest, originellen Social-Media-Aktivitäten oder einer charmanten Rose am Uniform-Revers bei Auswärts-Auftritten auf sich hat, kommen wir an dieser Stelle gar nicht. Deshalb wird es pünktlich vor dem Jubiläums-Schützenfest eine Sonder-Ausgabe der HEIMATLIEBE zum 150. Geburtstag geben.



ABLAUF DES JUBILÄUMS-SCHÜTZENFESTES VOM 11.-14. JULI 2025
Das Jubiläums-Schützenfest beginnt bereits am Freitag, 11. Juli 2025, mit dem Empfang der auswärtigen Vereine um 18 Uhr zu einem Festkommers. Um 21 Uhr steht der erste Höhepunkt des Wochenendes an: Der Große Zapfenstreich in „Pastors Garten“ neben der St. Laurentius-Pfarrkirche, dargeboten von der Knappenkapelle Dreislar und dem Spielmannszug Züschen. Nach einem kurzen Konzert gibt es dann eine Schützendisco mit DJ Robin. Am Samstag werden nach den Ständchen und der Schützenmesse um 16 Uhr unter der Vogelstange ab 17 Uhr die Nachfolger für das Jubelkönigspaar Rüdiger (†) und Reinhild Reinhardt ermittelt. Gegen 19.30 Uhr sind Proklamation und Königstanz geplant, anschließend der Schützenball.
Am Sonntag steht um 11 Uhr erst die Gefallenenehrung in Mollseifen an, bevor die befreundeten Gastvereine mit ihren Majestäten und Hofstaat eintreffen und mit sechs Musikvereinen um 14.30 Uhr mit dem amtierenden Neuastenberger Königspaar Jan Völlmecke und Jennifer Hardtke sowie dem Jungschützenkönigspaar Marcel Swidergol und Marina Körner zu einem sehenswerten Festzug durch das Dorf samt Parade starten. Nach einer stimmungsvollen Feier geht es dann am folgenden Montag nach einem gemeinsamen Schützenfrühstück unter die Vogelstange. Die neuen Majestäten marschieren gegen 15 Uhr feierlich in die Halle ein, bevor nach dem Kinder- und Königstanz am späten Abend die vier Jubiläumsschützenfesttage ausklingen.
Text: Rita Maurer Fotos: Rita Maurer, Privat